Vielleicht der einzigartigste Aspekt der japanischen Sprache ist die Verwendung verschiedener Wörter und Satzstrukturen je nach der gesellschaftlichen Situation. Keine Sprache, die ich gelernt habe hat so unterschiedliche Wörter und Strukturen, je nachdem, ob man beiläufig mit einem Freund spricht, mit einem Untergebenen oder sehr förmlich mit einer „älteren“ Person. Allein das Wort „ich“ hat mindestens drei allgemein gebräuchliche Formen, watakushi, boku und ore, und dasselbe gilt für „du“ und die anderen Pronomen.
Um diese Unterscheidungen zu meistern, müssen Sie sich oft in gesellschaftliche Situationen begeben, in denen Sie sie richtig anwenden müssen. Nur die Logik hinter den Sprachmustern zu erklären, wird Sie nicht dazu befähigen sie zu beherrschen. Sie müssen in Ihrer Mentalität ein wenig zum Japaner werden, bevor Sie die Höflichkeitssprache oder die normale Umgangssprache je nach der gesellschaftlichen Umgebung einfach einschalten können. Das erfordert viel Kontakt entweder in realen Situationen des täglichen Lebens oder durch das Hören von geeigneten aufgenommenen Materialien. Es verlangt auch von Ihnen, dass Sie die Kultur akzeptieren.
Bis ich die unterschiedlichen Höflichkeitsstufen beherrschte, sprach ich einfach neutrales Japanisch und eigentlich tue ich das zum Großteil noch immer. Ich meine, dass es wichtig ist, nicht versuchen zu wollen, entweder allzu umgangssprachlich oder zu förmlich in einer Fremdsprache zu sprechen. Normalerweise wird es von einem Ausländer nicht erwartet. Die gänzliche Beherrschung der Höflichkeitsstufen ist für die Kommunikation auch nicht notwendig. Die Nuancen höflicher Wörter und Wendungen voll zu verstehen verlangt von Ihnen ein sehr fortgeschrittenes Niveau an kulturellem Einfühlungsvermögen, das man nicht erzwingen kann, das sich aber mit der Zeit auf natürliche Weise entwickeln wird.
Der Satzbau des Japanischen scheint nordasiatischen Ursprungs zu sein und ähnelt deshalb dem Koreanischen. Viel vom ursprünglichen Vokabular ist laut Fachleuten entfernt mit polynesischen Sprachen verwandt und stammt vom Volk der Jomon, die sich vor 20.000 Jahren in Japan niederließen. Die Jomon waren Jäger und Sammler und lebten in Japan, bevor mehrere verschiedene Wellen von nordasiatischen Einwanderern namens Yayoi den Reisanbau und den Einfluss ihrer Sprache um 300 vor Christus nach Japan brachten. Die Jomon könnten übrigens die ersten Menschen in der Welt gewesen sein, die das Töpferhandwerk entwickelten – vor über 10.000 Jahren.
Das chinesische Schriftsystem wurde in Japan erst vor 1.5 Jahren eingeführt, zusammen mit vielen chinesischen Wörtern, chinesischer Technik und der buddhistischen Religion. Die wunderbaren hölzernen Bauwerke, die man in Nara und Kyoto findet, gehören zu den ältesten und größten Holzbauten der Welt. Die Technik, die bei ihrem Bau angewendet wurde umfasst die am besten erhaltenen und hervorragendsten Zeugnisse chinesischer Holzbautechnik, die auf die ursprüngliche Zivilisation am Gelben Fluss zurückgeht.
In jüngerer Zeit hat die japanische Sprache viele Lehnwörter aus anderen Sprachen übernommen, besonders aus dem Englischen. Japanisch ist ein reiches Amalgam vieler Einflüsse. Die Kenntnis der chinesischen Schriftzeichen ist für einen Ausländer, der Japanisch lernen möchte von Vorteil. Daher besitzen die benachbarten Völker Asiens beim Japanischlernen einen Vorteil. Doch ist die Einstellung des Lernenden ein bedeutsamerer Faktor als geografische oder genetische Nähe. Ich bin vielen Ausländern aus anderen Teilen der Welt begegnet, die eine positive Einstellung haben und ausgezeichnet Japanisch sprechen.
Zu einer Zeit, als ich schon flüssig Japanisch sprechen konnte, konnte meine Frau, die asiatisch aussieht, noch nicht sehr gut Japanisch sprechen. Oft hatten wir ein Dreiecksgespräch mit Japanern an öffentlichen Orten. Ich sprach Japanisch und der Japaner antwortete meiner Frau. Der Japaner oder die Japanerin konnten es nicht akzeptieren, dass eigentlich das europäisch aussehende Gesicht und nicht das asiatische Gesicht Japanisch sprach.
Auf gleiche Weise machte Jahre später in Kanada eine ältere japanische Dame die folgende Bemerkung über das kleine Kind von japanisch-europäischen Eltern, das spät zu sprechen begann. „Natürlich ist er spät dran, weil Japaner Schwierigkeiten mit dem Englischen haben.“ Ich höre Leute europäischer Herkunft sich wundern, dass einer von ihnen eine asiatische Sprache lernen kann, obwohl wir Kanadier asiatischer Herkunft in der zweiten Generation kennen, deren Muttersprache Englisch ist. Wie oft habe ich Chinesen sagen gehört, dass Englisch unmöglich zu lernen sei, weil die chinesische Kultur so von der englischen verschieden ist? Diese Art von kulturellem Vorurteil ist ein weiteres Hindernis für richtiges Sprachenlernen und muss beiseite gelassen werden. Ich bin überzeugt, dass jeder, welcher Kultur oder welchem sozialen Umfeld er auch angehört, und wie alt er auch sei, jede beliebige Sprache lernen kann, wenn sie sich darauf einlassen.
Ein westlicher Mensch, der Japan besucht oder dort lebt, nichts als „Fleisch und Kartoffeln“ essen will und dem Sushi nicht schmecken, wird nicht erfolgreich Japanisch lernen. In ähnlicher Weise werden Japaner, die nur in Gruppen ins Ausland reisen wollen und nur vertrautes Essen verzehren wahrscheinlich nicht erfolgreich andere Sprachen erlernen, egal wie viel Zeit sie dafür aufwenden. Eine Sprache zu lernen ist wie eine Reise zu machen. Beide Tätigkeiten sind ein Abenteuer. Es hat keinen Sinn ins Ausland zu reisen und so zu tun, als sei man zu Hause.