Eine Sache, die mir neulich mal so aufgefallen ist, eigentlich wenn man sich in der Welt ein bisschen umschaut, hat man das Gefühl, dass eigentlich in allen Teilen der Welt die Landkarten mehr zerfleddern, es irgendwie Tendenzen gibt von Ländern oder in Ländern, dass sich Teile dieser Länder nach Unabhängigkeit streben. Warum haben wir das eigentlich in Deutschland nie so gehabt? Und zumindest nicht nach dem zweiten Weltkrieg. Also wenn man nach Frankreich geht, nach Spanien, England, China, sowie in vielen Ländern gibt's das. Doch historisch ist ja die Fraktionierung, also die Aufteilung des heutigen deutschen Staatsgebietes in viele Einzelstaaten der Normalfall gewesen, bis ins 19. Jahrhundert hinein. Bis das alte so genannte als heilige römische Reich deutscher Nation 1805 oder 08 eben aufgelöst worden ist. Bis dahin hat Deutschland ja aus einer Vielzahl von staatsrechtlichen Einheiten bestanden. Zeitweilig waren es glaube ich über 300 und wir haben diesen, diesen Konzentrationsprozess auf einen Nationastaat hin nachgeholt. Der klassische Zentralstaat in Europa ist immer Frankreich gewesen. Nicht? Auch andere Staaten sind längst Zentralstaaten gewesen, als Deutschland nur ein Kulturraum war. Der Begriff Deutschland bezeichnet ja bis vor gut, bis vor gut 100 Jahren mehr einen Kultur- und Sprachraum, als eine politische Einheit. Also wir haben ja noch vor 140 Jahren innerhalb Deutschlands, also was heute die Bundesrepublik Deutschland ist, richtig heftig Kriege geführt. Die Preußen haben auf die Hannoveraner geschossen und die Sachsen und die Bayern haben gegen die Preußen Krieg geführt. In den damaligen Koalitionen und man war nicht Deutsch. Man war Sachse oder… Aber warum haben wir das jetzt nach dem zweiten Weltkrieg nicht mehr so beobachtet? Also ich schau zum Beispiel nach Belgien. Ich arbeite in einer belgischen Firma, deswegen verfolgen wir das alle auch mit Interesse und da sind sich die Wallonen und die Flamen sich alles andere als grün. Die schaffen's gerade mal, also die schaffen's kaum eine Regierung zusammen zu stellen. In vielen Ländern der Welt hat man das Gefühl, dass Teile von Ländern nach Unabhängigkeit streben, aber das haben wir in Deutschland nie, zumindest nicht seit dem zweiten Weltkrieg ernsthaft gehabt. Man hat immer so ein bisschen gesagt, vielleicht die Bayern, aber das ist ja glaub ich ja, wird nie ernst gemeint.
Ich glaub die Bayern haben tatsächlich das Grundgesetz nicht angenommen, sind aber aus anderen staatsrechtlichen Gründen auf ewig, als das Grundgesetz ist ja ein ewiger Bund der deutschen Länder, staatsrechtlich gesehen. Und ich meine, die Bayern hätten ihn nicht angenommen, sind aber trotzdem an ihn gebunden.
Gut, aber. Wie dem auch sei.
Welchen Grund sollten wir denn für innerdeutschen nicht Regionalpatriotismus, den haben wir ja heftig. Da brauchst du nur einmal das bayrische Fernsehen dir angucken. Auch die Tatsache, dass ja zum Teil schon in den Namen der einzelnen Bundesstaaten ja eine sehr hohe Identität zum Ausdruck kommt. Freie und Hansestadt Hamburg, ne? Oder Freistaat Sachsen. Freistaat, also in den Namen steckt zum Teil auch schon Programm drin. Wir haben eine Regionalisierung, aber es gibt auch keinen vernünftigen Grund, warum das jetzt zu einer Separierung führen… Ja, aber ich würd' sagen… Wer hätte irgendeinen Vorteil davon einen eigenen Staat aufzumachen? Aber ich denke, möglicherweise ist das auch in anderen Teil der Welt so, dass es eigentlich rational es keine Gründe dafür gibt, aber die Emotionen sind so, dass man es trotzdem will. Und möglicherweise ist das auch eine stark emotionale Frage, aber in Deutschland gibt's ja noch nicht mal diese Emotion, die ja möglicherweise auch rational nicht sinnvoll sein könnte. Nein, in der Kneipe gibt's die schon. Ja… Und von Nordrhein-Westfalen habe ich das nie gehört. Also wie wir über die Bayern reden und die Bayern über die Preußen. Und wie in der DDR zum Beispiel, allein weil der Ulbricht, der ehemalige Diktator da, weil der ein wunderbares sächsisch gesprochen hat, weil der sächsische Dialekt in der ganzen DDR war, hatten die Leute was gegen diesen Klang. Und selbst wir, als westdeutsche Jugendliche, wenn wir das Sächsische gehört haben, haben wir irgendwie gedacht ja, das sind die fiesen Leute da. Nee, aber beim besten Willen, solche, solche Separationsbewegungen, wenn man sieht konkret wo sie existieren in Europa. Was ist denn da auseinander gegangen? Die Tschechoslowakei ist auseinander gegangen in die beiden Staaten Tschechei und… Ja gut, der ganze Balkan ist ja zerfleddert. Ja, natürlich. Aber der ganze Balkan ist ja auch nur episodisch zwischen den beiden Weltkriegen in diesem Staat Jugoslawien vereint gewesen und der hat dann die, nach dem zweiten Weltkrieg über einige Jahrzehnte diese vereinte Führerperson Tito gehabt, aber wenn man sich die Vorgeschichte des ersten Weltkrieges anguckt, da hat die ja schon mit der damaligen Fraktionierung des Balkan in verschiedene Staaten, die es auch zu verschiedenen Machtgefügen gehört haben, zu tun gehabt. Nee, aber wir haben in Europa ja eine Vermehrung der souveränen Staaten gehabt. In den letzten 20 Jahren, wenn du daran denkst, dass allein aus der Auflösung der Sowjetunion ja 7 oder 8 neue Staaten entstanden sind, die heute auf europäischem Gebiet liegen, also wenn Fußballeuropameisterschaft ist, dauert heute die Qualifikationsrunde erheblich länger, weil sehr viel mehr Nationalmannschaften daran teilnehmen müssen.
Aber zum Beispiel was interessant ist, dass es in Ländern solche Separierung, Sepa-, Separatistenbewegungen, wie man es nennen würde, gibt. Wo man denkt, da gibt's vielleicht weniger ökonomische Gründe. Ich sag mal, gut ich kenne jetzt die Situation in Kanada nicht so genau, aber da gibt es ja in dem französischsprachigen Teil wohl Tendenzen sich Unabhängigkeit zu erlangen. Da weiß ich auch nicht wovon das da getrieben wird. Ist Sprachen ein wichtiger Aspekt dabei?
Aja, also ich denke da mal, die Frankophonie und die Anglophonie in Kanada sind immerhin zwei ernsthafte Gründe. Wir hier, du hast ursprünglich nach Deutschland gefragt, wir hier reden alle Deutsch, ne? Und das sind ja nun doch zwei verschiedene Sprachen, die ja auch zu tun haben in der Vergangenheit. Wenn ich das richtig ahne mit auch, mit einigen ziemlich üblen Kriegen aus denen das kanadische Dominium irgendwann hervor gegangen ist und so. Die Idee der französischen Revolution kontra, dass die, die Idee des britischen Empire also, und dann ist doch wohl in Kanada immer wieder auch von Leuten, die was werden wollten an dieser Schraube gedreht worden.
Ja, also das… Das ist doch auch ein Propaganda…versuch doch mal in Deutschland. Stell dir mal einen Politiker vor in Deutschland, der jetzt sagt, ich will Karriere machen in dem ich die Selbständigkeit von Schleswig Holstein propagiere.
Also in Kanada ist das in der Tat ist das auch was ich gehört habe. Dass das da eben zum Teil auch wirklich da aus politischen Motiven gepuscht wird. Ohne das da wirklich ansonsten Verlangen in der Bevölkerung dafür existiert.
Wenn du damit eine Karriere machen kannst sicher. Bloß in Deutschland wirst du glaub ich nix, denn die Selbständigkeit irgendeines Bundeslandes auf deine Fahnen schreibst.
Gut, ich sag mal, zum Beispiel die Situation in Spanien, ich kenn sie nicht, aber ich bin jetzt auch kein Experte ja, was das Baskenland angeht, aber ich schaue jetzt häufiger spanisches Fernsehen. Man hat schon das Gefühl, dass da eine Mehrheit auch von der Minderheit von Extremen auch terrorisiert wird. Das ist ja irgendwie Spanien, da ist ja Demokratie, dass ist ja eine prosperierende Region wirtschaftlich das Baskenland. Warum sollen die Basken unabhängig werden? Ich glaub, das ist doch einfach, das wird doch von der größten, vom großen Teil der Bevölkerung so gesehen, dass da wirklich auch eine Minderheit eine Mehrheit terrorisiert.
Sie werden's ja auch nicht werden. Aber es ist ja wohl auch, ich glaub, eine demokratische, parlamentarische Monarchie als Staatsform und die haben ja glaube ich in Spanien, wenn ich das recht weiß, 4 oder 5 in der Verfassung anerkannte Identitäten. Also es gibt es nicht nur Spanien, es gibt auch nicht nur die Basken und die, wie heißen die? Kastilianisch heißt die Sprache, ne? Es gibt die Katalonen und die sonst wie. Ich krieg die jetzt nicht zusammen, aber das sind in der spanischen Verfassung definierte, unterschiedene Identitäten. Also du kannst in Anspruch nehmen für dich, ich bin kein Spanier, sondern und dann das Entsprechende. Und äh, und äh, ja. Und zu dem baskischen Problem, davon verstehe ich nix. Nur natürlich werden sie, werden sie ihre Selbständigkeit nicht bekommen.
Oder haben wir in Deutschland einfach Glück gehabt seit dem zweiten Weltkrieg, dass es so was nicht gibt?
Nee, wir, unsere Trennung ist uns ja als Folge des Krieges auch von den Siegermächten der Anti-Hitlerkoalition erst mal aufoktroyiert worden. Wir hatten ja die Trennung von außen. Die Trennung und die Amputation der historischen Ostgebiete die dann als Preis für den Krieg an Polen und Russland gefallen sind und dann das Restdeutschland, was im Wesentlichen im Norden halt das alte Preußen war und im Süden die größeren Staaten, die im Wesentlichen auf Napoleon zurückgehen. Das ist ja empfunden worden, als eine zu überwindende Trennung. Da war ja eine Trennung, aber wir Deutschen fanden, dass das, uns das aufgedrückt worden ist. Aber was man sich eben heute nicht mehr so richtig vorstellen kann, bis vor 200 Jahren gab es kein Deutschland. Da gab's aber Frankreich, da gab's aber Österreich, da gab's aber Dänemark, Schweden, also alle die Staaten, die heute mit uns sind. Die gab's alle. Außer Belgien jetzt, das gab's nicht. Aber zum Beispiel die Niederlande haben ja mehrere Generationen lang gegen Spanien, was ganz woanders liegt, um ihre, um ihre Unabhängigkeit gekämpft.
Haben die dann letztendlich geheiratet dann um den Konflikt beizulegen? Hat da nicht irgendjemand geheiratet?
Das kann gut sein, ja. Aber wie gesagt, das können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen, dass wir früher Sachsen waren oder Preußen waren oder weiß ich was wir waren.
Westfalen.
Ja, whatever. Ja, aber nicht Deutsche. Komisch.
Ja, ich meine es gibt ja in Deutschland auch speziell nach der Wiedervereinigung immer noch Regionen, die tendenziell, den es tendenziell ökonomisch besser geht und anderen den es tendenziell schlechter geht. Gut, jetzt könnte man ja sagen, dass das eben auch ein entscheidender Faktor ist, sag ich mal bei solchen Bestrebungen Unabhängigkeit zu erlangen. Ich denke in Italien ist das ja zum Teil der Fall, dass der reiche Norden Unabhängigkeit anstrebt, weil er das Gefühl hat, er alimentiert den Süden. Aber in Deutschland könnte man auch so ein Argument machen und sagen, okay, dann könnten ja Bayern zusammen mit Baden Württemberg und Hessen für die würd's ja ökonomisch dann aus der Sichtweise dann Sinn macht. Aber wir haben's ja nicht. Wir haben ja solche Bewegungen nicht ernsthaft.
Was Leute bei 1,9 Promille fantasieren, das ist eine Sache, aber du hast ja bei so was immer nur zwei Möglichkeiten. Du hast ja eine Möglichkeit, dass du bei solchem Gefälle dann einen Ausgleich, einen Kompromiss irgendwie organisierst. Das ist das System, was wir bei uns haben, also Lastenausgleich zwischen den verschiedenen Bundesländern oder wenn du die entsprechenden Druck- und dann noch die entsprechenden Demagogen hast, kannst du dann tatsächlich, aber das ist ja so weit weg wie der Mars hier, diese Wahrscheinlichkeit für Deutsche.