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Gedanken über Österreich und die Österreicher, Liegst dem Erdteil du inmitten...

Liegst dem Erdteil du inmitten...

Österreich? Wo bitte ist das? Wenn man sich den Kontinent aus dem Weltall anschaut, sieht man Gebirge, die sich über seine Mitte krümmen: die Alpen, die Böhmische Masse, die Karpaten, den Balkan... Wo ist da Österreich? Also natürliche Grenzen gibt es nur wenige. Wenn man mit dem Flugzeug von Wien Schwechat aus darüberfliegt, erkennt man den Neusiedlersee im Südosten, macht einen Bogen nach Westen und da ist auch schon der Bodensee. Dazwischen sind schneebedeckte Gebirgsketten und ein paar breite Täler. Ach ja, und da glänzt vielleicht mal kurz die Donau und da glitzern ein paar kleinere Seen im Salzkammergut und in Kärnten. Aber was da als Österreich bezeichnet wird, auf politischen Landkarten oder Straßenkarten, das ist in der Natur nicht existent. Soviel zur Geografie.

Österreich ist keine Insel - auch keine "Insel der Seligen" - wir haben ja auch kein Meer. Die Grenzen der ehemaligen Monarchie haben sich von der Adria zurückgezogen bis auf die Karawanken, das "pannonische Meer", der Plattensee oder Balaton, liegt in Ungarn, und der Anteil an den großen oben genannten Seen Mitteleuropas hält sich in Grenzen. Eine Insel hätte halbwegs feste Grenzen. Österreich scheint irgendwie fließende Grenzen zu haben. Es ist ein künstliches Gebilde, wie alle Nationalstaaten; es ist ein Produkt seiner langen Geschichte, die es vom Reich, in dem die Sonne nicht unterging zum Kleinstaat schrumpfen ließ. AEIOU - alles Erdreich ist Östereich Untertan - kann man noch überheblicher sein? Man kann.

Es hatte ja als kleines Territorium, als östlicher Anhang des Frankenreiches Karls des Großen, begonnen, als Awaren und Ungarn nach Westen zogen und die nacheinander romanisierte, germanisierte und slawisierte Bevölkerung an der Donau allmählich zu einem eigenen politischen Gebilde wurde. Babenberger und Habsburger stehen im Bewusstsein der heutigen Österreicher zwar nicht im Vordergrund, schwingen aber dennoch irgendwie mit, wie die Gründerväter und George Washington bei den Amerikanern. Damit verbindet man aber heute keine territorialen Ansprüche oder monarchistische Gelüste. Eher sieht man in der österreichisch-ungarischen Monarchie so etwas wie einen (ungeliebten) Vorläufer eines Staatenbundes à la EU, den der letzte Kaiser Karl I ja angeblich aus seinem Reich machen wollte. Aber da war er seiner Zeit entweder um fast 40 Jahre voraus oder er kam zu spät, denn das Gebilde zerfiel ihm unter der Hand, ehe der erste Weltkrieg zu Ende war.

Dafür hat man, wenn man österreichischen Politikern heute zuhört manchmal das Gefühl, nicht Österreich sei 1995 der EU beigetreten, sondern die EU sei Österreich beigetreten. Und Brüssel mischt sich hierorts viel zu viel ein! Österreich ist doch immer führend gewesen im Umweltschutz, bei der Ablehnung von genmanipulierten Pflanzen und der Atomkraft. Der EU-Beitritt (Beitritt der EU?) hat zu einer Verwässerung, einer Aufweichung der Grenzwerte und einer Bedrohung durch grenznahe AKWs geführt.

So die Stimmung zwischen Neusiedlersee und Bodensee. Wobei westlich des Arlbergpasses, in Vorarlberg, die Uhren mehr nach Schweizer Zeit, im Süden in Kärnten nach Kärntner Zeit und in Wien nach vier verschiedenen Zeiten zu gehen scheinen: der westeuropäischen, der mitteleuropäischen, der südosteuropäischen und der kleinasiatischen Zeit. Was dazwischen liegt, gehört zwar nominell zu Österreich, besteht aber aus vielen kleinen Stammesgebieten, die jedes ihre alten und neuen Traditionen und Koalitionen, schwarz, rot, grün, blau und orange, ausleben, als ob es sie gar nichts anginge, was rundherum passiert. Krise oder nicht, also bunt ist Österreich schon geworden, das muss man ihm schon lassen. "Ein Land, das sich noch sucht", wie mir ein alter Franzose einmal gesagt hat, angesichts der politischen Veränderungen der letzten zehn Jahre. Es ist nicht leicht zu finden, nicht in Worte zu fassen und nicht festzunageln, was das Österreichische ausmacht. Jedenfalls sind bisher alle neu Dazugekommenen von etwas angesteckt worden, das es hier geben muss. Vielleicht gelingt es mir, mit meinen Gedanken über Österreich und die Österreicher ein wenig Licht in eine europäische Besonderheit zu bringen. Ganz schön eingebildet, diese Österreicher!

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Liegst dem Erdteil du inmitten... Do you lie in the middle of the continent...

Österreich? Wo bitte ist das? Wenn man sich den Kontinent aus dem Weltall anschaut, sieht man Gebirge, die sich über seine Mitte krümmen: die Alpen, die Böhmische Masse, die Karpaten, den Balkan... Wo ist da Österreich? Also natürliche Grenzen gibt es nur wenige. Wenn man mit dem Flugzeug von Wien Schwechat aus darüberfliegt, erkennt man den Neusiedlersee im Südosten, macht einen Bogen nach Westen und da ist auch schon der Bodensee. Dazwischen sind schneebedeckte Gebirgsketten und ein paar breite Täler. Ach ja, und da glänzt vielleicht mal kurz die Donau und da glitzern ein paar kleinere Seen im Salzkammergut und in Kärnten. Aber was da als Österreich bezeichnet wird, auf politischen Landkarten oder Straßenkarten, das ist in der Natur nicht existent. Soviel zur Geografie.

Österreich ist keine Insel - auch keine "Insel der Seligen" - wir haben ja auch kein Meer. Die Grenzen der ehemaligen Monarchie haben sich von der Adria zurückgezogen bis auf die Karawanken, das "pannonische Meer", der Plattensee oder Balaton, liegt in Ungarn, und der Anteil an den großen oben genannten Seen Mitteleuropas hält sich in Grenzen. Eine Insel hätte halbwegs feste Grenzen. Österreich scheint irgendwie fließende Grenzen zu haben. Es ist ein künstliches Gebilde, wie alle Nationalstaaten; es ist ein Produkt seiner langen Geschichte, die es vom Reich, in dem die Sonne nicht unterging zum Kleinstaat schrumpfen ließ. AEIOU - alles Erdreich ist Östereich Untertan - kann man noch überheblicher sein? Man kann.

Es hatte ja als kleines Territorium, als östlicher Anhang des Frankenreiches Karls des Großen, begonnen, als Awaren und Ungarn nach Westen zogen und die nacheinander romanisierte, germanisierte und slawisierte Bevölkerung an der Donau allmählich zu einem eigenen politischen Gebilde wurde. Babenberger und Habsburger stehen im Bewusstsein der heutigen Österreicher zwar nicht im Vordergrund, schwingen aber dennoch irgendwie mit, wie die Gründerväter und George Washington bei den Amerikanern. Damit verbindet man aber heute keine territorialen Ansprüche oder monarchistische Gelüste. Eher sieht man in der österreichisch-ungarischen Monarchie so etwas wie einen (ungeliebten) Vorläufer eines Staatenbundes à la EU, den der letzte Kaiser Karl I ja angeblich aus seinem Reich machen wollte. Aber da war er seiner Zeit entweder um fast 40 Jahre voraus oder er kam zu spät, denn das Gebilde zerfiel ihm unter der Hand, ehe der erste Weltkrieg zu Ende war.

Dafür hat man, wenn man österreichischen Politikern heute zuhört manchmal das Gefühl, nicht Österreich sei 1995 der EU beigetreten, sondern die EU sei Österreich beigetreten. Und Brüssel mischt sich hierorts viel zu viel ein! Österreich ist doch immer führend gewesen im Umweltschutz, bei der Ablehnung von genmanipulierten Pflanzen und der Atomkraft. Der EU-Beitritt (Beitritt der EU?) hat zu einer Verwässerung, einer Aufweichung der Grenzwerte und einer Bedrohung durch grenznahe AKWs geführt.

So die Stimmung zwischen Neusiedlersee und Bodensee. Wobei westlich des Arlbergpasses, in Vorarlberg, die  Uhren mehr nach Schweizer Zeit, im Süden in Kärnten nach Kärntner Zeit und in Wien nach vier verschiedenen Zeiten zu gehen scheinen: der westeuropäischen, der mitteleuropäischen, der südosteuropäischen und der kleinasiatischen Zeit. Was dazwischen liegt, gehört zwar nominell zu Österreich, besteht aber aus vielen kleinen Stammesgebieten,  die jedes ihre alten und neuen Traditionen und Koalitionen, schwarz, rot, grün, blau und orange, ausleben, als ob es sie gar nichts anginge, was rundherum passiert. Krise oder nicht, also bunt ist Österreich schon geworden, das muss man ihm schon lassen. "Ein Land, das sich noch sucht", wie mir ein alter Franzose einmal gesagt hat, angesichts der politischen Veränderungen der letzten zehn Jahre. Es ist nicht leicht zu finden, nicht in Worte zu fassen und nicht festzunageln, was das Österreichische ausmacht. Jedenfalls sind bisher alle neu Dazugekommenen von etwas angesteckt worden, das es hier geben muss. Vielleicht gelingt es mir, mit meinen Gedanken über Österreich und die Österreicher ein wenig Licht in eine europäische Besonderheit zu bringen. Ganz schön eingebildet, diese Österreicher!