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Peterchens Mondfahrt von Gerdt von Bassewitz, Das Schloss der Nachtfee «Teil 6»

Jetzt plötzlich flog goldener Schein in diese Dämmerung, und durch die weite Nacht her kam eine rauschende, ferne, wundermächtige Musik. Die Nachtfee erhob sich auf ihrem Thron; die Sonne nahte, die Königin des Tages, die ihr gleich war an Rang und Ansehen. Alle Gäste erhoben sich mit ihr von den Sitzen, denn, obschon sie die Sonne zum Teil nicht leiden konnten, mussten sie ihr doch, als einer Königin, die schuldige Ehrfurcht bezeigen.

Da schwoll die Musik heran, wie ein wachsender Sturm. Die Wolken teilten sich, und - in einem Strom von goldenem Licht schwebte die Sonne herein mit ihren Töchtern und Söhnen, der Morgenröte und Abendröte, dem Morgenstern und dem Abendstern. Wunderschön war die Sonne! Ihre Augen strahlten machtvoll und lieb zugleich. Als ein Mantel von Flammen lag ihr Lockenhaar um sie, und in funkelnden Garben brachen die Lichtstrahlen aus der Krone auf ihrem Haupt.

An jeder Hand führte sie einen ihrer Söhne, die Schleppe ihres goldenen Kleides aber trugen ihre lieblichen Töchter. So stand die Sonne der Nachtfee gegenüber, und der Saal war voll von ihrem Licht. Langsam kam die Nachtfee von ihrem Thron herab der Sonne entgegen. Auf ihrem schwarzen Haar schimmerte die blasse Mondkrone. Sie breitete ihre Arme weit aus und grüßte die Sonne mit ihrer glockenschönen Stimme: »Willkommen mir, Schwester, Königin!« Da neigte die Sonne ihr Haupt leise vor der Majestät der Nacht; dann hob sie es leuchtend und sprach: »Der Gruß meiner Liebe sei dir gebracht, Du schöne Schwester, du stille Nacht! Sind unsre Reiche auch ewig geschieden; Mein ist die Arbeit, dein ist der Frieden; Schlingen wir doch um die Guten und Bösen Den einen Reigen und segnen die Wesen, Die auf der wundertiefen Welt Liebe in prunkendes Leben gestellt.« Und dann umarmten sich die beiden Königinnen. Als die Nachtfee die Sonne umschlang, ging alle Glut unter in blauen Nebeln, und tiefe Dämmerung sank in den Raum; und als die Sonne ihre Arme um die Schultern der Nachtfee legte, leuchteten alle Dinge umher, in ein Meer von Licht gebadet.

Als diese Begrüßung vorüber war, nahmen beide Herrscherinnen auf ihren Sitzen Platz, und auch die anderen Gäste setzten sich wieder. Dabei war es sehr komisch, wie der Eismax hinter den Rock der Wolkenfrau kroch und wie Frau Holle hinter dem Schirm des Regenfritzen hervorschielte.

Jetzt kam aber plötzlich eine sehr sonderbare Gestalt hereingetölpelt: der Milchstraßenmann. Er war anscheinend in großer Wut und gar nicht festlich angezogen, wie sich das gehört hätte. Die Mütze saß ihm schief auf dem Kopfe, seine dicken Mondlederstiefel waren schmutzig, und einen ungekämmten Schnurrbart hatte er auch. Unter dem Arm trug er die große Zwillingsmilchflasche, und an einem Bändchen hinter ihm zottelte der kleine Bär, den er eigentlich hätte draußen lassen müssen, weil der immer schmutzige Pfoten hatte. Der kleine Bär hütete nämlich die Mondkälber und biss sie in die Beine, wenn sie auf einer falschen Himmelswiese grasen wollten. Jetzt hatte er allerdings einen Maulkorb um.

Die Nachtfee machte ein sehr erstauntes Gesicht über den Milchstraßenmann und wollte ihm etwas darüber sagen, dass er nicht in solchem Aufzuge kommen dürfe; aber der ließ sie gar nicht zu Worte kommen, so aufgeregt war er, und polterte sofort los: »Frau Nachtfee, ich muss mich bitter beklagen! Die Gesellschaft, die du geladen hast, Ist mir derart über die Milchstraße gerast, Dass sie mir das Pflaster beschädigt haben Und die Meilensteine, die Bäume, den Graben! Das ist ein Benehmen, unerhört!«

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Jetzt plötzlich flog goldener Schein in diese Dämmerung, und durch die weite Nacht her kam eine rauschende, ferne, wundermächtige Musik. Die Nachtfee erhob sich auf ihrem Thron; die Sonne nahte, die Königin des Tages, die ihr gleich war an Rang und Ansehen. Alle Gäste erhoben sich mit ihr von den Sitzen, denn, obschon sie die Sonne zum Teil nicht leiden konnten, mussten sie ihr doch, als einer Königin, die schuldige Ehrfurcht bezeigen.

Da schwoll die Musik heran, wie ein wachsender Sturm. Die Wolken teilten sich, und - in einem Strom von goldenem Licht schwebte die Sonne herein mit ihren Töchtern und Söhnen, der Morgenröte und Abendröte, dem Morgenstern und dem Abendstern. Wunderschön war die Sonne! Ihre Augen strahlten machtvoll und lieb zugleich. Als ein Mantel von Flammen lag ihr Lockenhaar um sie, und in funkelnden Garben brachen die Lichtstrahlen aus der Krone auf ihrem Haupt.

An jeder Hand führte sie einen ihrer Söhne, die Schleppe ihres goldenen Kleides aber trugen ihre lieblichen Töchter. So stand die Sonne der Nachtfee gegenüber, und der Saal war voll von ihrem Licht. Langsam kam die Nachtfee von ihrem Thron herab der Sonne entgegen. Auf ihrem schwarzen Haar schimmerte die blasse Mondkrone. Sie breitete ihre Arme weit aus und grüßte die Sonne mit ihrer glockenschönen Stimme:

»Willkommen mir, Schwester, Königin!«

Da neigte die Sonne ihr Haupt leise vor der Majestät der Nacht; dann hob sie es leuchtend und sprach: 

»Der Gruß meiner Liebe sei dir gebracht,
Du schöne Schwester, du stille Nacht!
Sind unsre Reiche auch ewig geschieden;
Mein ist die Arbeit, dein ist der Frieden;
Schlingen wir doch um die Guten und Bösen
Den einen Reigen und segnen die Wesen,
Die auf der wundertiefen Welt
Liebe in prunkendes Leben gestellt.« 

Und dann umarmten sich die beiden Königinnen. Als die Nachtfee die Sonne umschlang, ging alle Glut unter in blauen Nebeln, und tiefe Dämmerung sank in den Raum; und als die Sonne ihre Arme um die Schultern der Nachtfee legte, leuchteten alle Dinge umher, in ein Meer von Licht gebadet.

Als diese Begrüßung vorüber war, nahmen beide Herrscherinnen auf ihren Sitzen Platz, und auch die anderen Gäste setzten sich wieder. Dabei war es sehr komisch, wie der Eismax hinter den Rock der Wolkenfrau kroch und wie Frau Holle hinter dem Schirm des Regenfritzen hervorschielte.

Jetzt kam aber plötzlich eine sehr sonderbare Gestalt hereingetölpelt:

der Milchstraßenmann.

Er war anscheinend in großer Wut und gar nicht festlich angezogen, wie sich das gehört hätte. Die Mütze saß ihm schief auf dem Kopfe, seine dicken Mondlederstiefel waren schmutzig, und einen ungekämmten Schnurrbart hatte er auch. Unter dem Arm trug er die große Zwillingsmilchflasche, und an einem Bändchen hinter ihm zottelte der kleine Bär, den er eigentlich hätte draußen lassen müssen, weil der immer schmutzige Pfoten hatte. Der kleine Bär hütete nämlich die Mondkälber und biss sie in die Beine, wenn sie auf einer falschen Himmelswiese grasen wollten. Jetzt hatte er allerdings einen Maulkorb um.

Die Nachtfee machte ein sehr erstauntes Gesicht über den Milchstraßenmann und wollte ihm etwas darüber sagen, dass er nicht in solchem Aufzuge kommen dürfe; aber der ließ sie gar nicht zu Worte kommen, so aufgeregt war er, und polterte sofort los:

»Frau Nachtfee, ich muss mich bitter beklagen!
Die Gesellschaft, die du geladen hast,
Ist mir derart über die Milchstraße gerast,
Dass sie mir das Pflaster beschädigt haben
Und die Meilensteine, die Bäume, den Graben!
Das ist ein Benehmen, unerhört!«