×

Nós usamos os cookies para ajudar a melhorar o LingQ. Ao visitar o site, você concorda com a nossa política de cookies.


image

Computer Club Zwei, Folge 135 - vom 17.11.2008

Folge 135 - vom 17.11.2008

Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph [Erkennungsmelodie] W.B. : Herzlich Willkommen, liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer. Es ist die 135. Sendung CC2. Ist ungerade, deshalb fange ich an. Und sie hat etwas Besonderes. Sie ist wieder monothematisch, 30 Minuten monothematisch.

W.R. : Aber jetzt machst du mal eine Pause.

W.B. : Warum?

W.R. : Ja, ich dachte du machst jetzt monothematisch durch. Ich möchte die Zuhörerinnen und Zuhörer ja auch begrüßen. Auch von meiner Seite ein recht herzliches Willkommen und jetzt, Herr Back, darfst du monothematisch weitermachen.

W.B. : Ja.

Wir machen das deshalb, weil viele letztens, bei dem LHC da in CERN geschrieben haben, war eine schöne Sendung, 30 Minuten am Stück. Konnte man viel von rauslesen. Deshalb wollen wir das mal versuchen so ab und zu auch so einen Halbstünder zu machen. Auch die Sendung mit dem Yakumo-Mann kam gut an. Auch weil die, über China ging es da, weil die auch 30 Minuten lang war und jetzt probieren wir es wieder mit 30 Minuten und zwar geht es um unser Klima. Das ist ja eine ziemlich chaotische Sache. Ich war ja in der letzten Zeit in Garmisch und habe ich in der Tageszeitung dort gelesen, dass es ein GRIPS-System auf der Zugspitze gibt. Hab dann festgestellt, das ist ja gar nicht so neu.

W.R. : Was war das? Ein GRIPS?

W.B. : Ein GRIPS3. Und das werden wir gleich wahrscheinlich erfahren. Denn das wird dort unternommen und was ich dann noch erfahren habe ist, alles was über 10 Kilometer in der Höhe ist wird untersucht vom Helmholtz-Institut, von der DLR, und was unter 10 Kilometer ist, das wird von dem Helmholtz-Institut in Garmisch untersucht.

W.R. : Hoffentlich kommen die sich nicht in die Quere.

W.B. : Ja, also wir liegen jetzt über 10 Kilometer und auf der anderen Seite des Telefons ist Dr. Bittner. Dr. Michael Bittner. So, und wir wollen ein bisschen reden über die Probleme, die bei der Beobachtung des Wetters entstehen. Und ich habe da viele Unterlagen von ihm gekriegt. Ich bin nicht ganz damit fertiggeworden und ich habe sie auch nicht studiert und habe auch keine Doktorarbeit darüber geschrieben. Aber ich glaube, Sie werden uns einiges über die Schwerewellen erzählen, denn die machen wohl viel aus bei dieser Arbeit. Sie sind noch nicht so ganz erforscht. Und dann möchten wir natürlich auch wissen, mit diesem GRIPS3 Gerät, wo Sie in 85 Kilometer Höhe die Temperatur messen können. Wie kalt ist es da jetzt im Moment?

M.B. : Also im Moment sind wir da knapp unter Zimmertemperaturen. Also relativ behaglich...

W.R. : Nein.

M.B. : ...wenn die Luft nicht so dünn wäre hier.

W.B. : Nein, das ist ja... wie kommt denn so was? Ich dachte es wäre Weltall-Temperatur, so minus, minus 200 oder so was.

M.B. : Also im Weltall sind wir bei 85, 87 Kilometern Höhe noch nicht. Da gibt's doch immer noch Luftmoleküle. Weltall das wäre ja wirklich Vakuum und da wird es erst recht richtig ungemütlich, ne.

W.B. : Aber so 20 Grad, das hätte ich mir doch kälter vorgestellt. Geht das, wie geht das denn von unten los? Also sagen wir mal unten haben wir 20 und wie geht dann der Verlauf los? So nach 100, 200 Metern, nach einem Kilometer?

M.B. : Ja.

Also der typische Verlauf sieht einfach so aus, das wissen Sie auch wenn Sie in den Urlaub fliegen zum Beispiel, dann sagt der Kapitän immer: Wir fliegen jetzt in 10.000 Metern Höhe und wir haben draußen - 50 Grad Celsius.

W.B. : Ja.

M.B. : Das heißt die Temperatur, die nimmt vom Boden bis in etwa so 10, 11, 12 Kilometern Höhe kontinuierlich ab. Und dann passiert etwas Sonderbares. Dann bleibt die Temperatur über einige, einige hundert Meter, durchaus bis zu ein, zwei Kilometern konstant und dann fängt sie an, wieder anzusteigen ganz allmählich. Und dann geht‘s rauf bis etwa 50 Kilometer, 45 bis 50 Kilometer steigt die Temperatur an, und dann passiert wieder, wieder so etwas, dass die Temperatur gleich bleibt und dann wieder abnimmt. Ja, und man spricht dann von Tropopause bei 10 Kilometern. Bei 45 Kilometern von der Stratopause und dann passiert gleich noch mal eine Umkehr in der Höhe von etwa 85 bis 90 Kilometern. Das ist die sogenannte Mesopausenregion. Und dass dieser Temperaturverlauf so aussieht wie man ihn sieht, das hat natürlich physikalische Ursachen. Die kennt man heute auch relativ gut. Und die haben einerseits zu tun mit Strömungssystemen in der Atmosphäre, die haben aber auch mit dem Heizen in der Atmosphäre zu tun, durch sogenannte Spurengase, also Gase, die nur in Spurenelementen in der Atmosphäre vorkommen und Ozon ist da sicherlich eines der bekanntesten Spurengase. Ozon wirkt also zum Beispiel wie eine Heizplatte in der Atmosphäre. Und Sie wissen vielleicht von der ganzen Ozonloch Diskussion her, dass wir eine Ozonschicht haben, also eine Schicht in der Atmosphäre in der Sie relativ viele Ozonmoleküle vorfinden können. Das passiert so bei 20, 25 Kilometern Höhe. Und dort wird die Strahlung, die von der Sonne kommt, absorbiert und von diesen Ozonmolekülen von, in Form von Wärme wieder abgegeben und das heizt dann die Atmosphäre in diesem Höhenbereich auf, ne. Und diese Heizung setzt sich dann eben durch bis zur Stratopause bei 45, 50 Kilometern.

W.R. : Da fällt mir gleich eine Frage dazu ein. Sie haben's schon zum Teil erklärt. M.B. : Ja.

W.R. : Im Vakuum habe ich ja keine Temperatur, weil die Strahlung von der Sonne dort nirgends drauf trifft, wo etwas umgewandelt werden könnte in Wärme. Wenn ich aber hochgehe von der Erde, 85 Kilometer, da ist doch die Atmosphäre schon sehr, sehr dünn.

M.B. : Oh ja.

W.R. : Das heißt ich kann da nicht mehr atmen, nicht mehr leben. Wie kommt es denn, dass da oben dann dennoch so hohe Temperaturen entstehen?

M.B. : Das ist richtig. Die Luftdichte, also die Anzahl der Moleküle, die Sie in dieser großen Höhe vorfinden, die ist wirklich sehr gering. Etwa 1 Millionstel geringer als hier auf der Erdoberfläche. Aber eben nicht gleich null, ne. Ja, die Frage, warum verhält sich eigentlich die Temperatur jetzt genau umgekehrt dem Temperaturverlauf, den wir jetzt hier am Erdboden gewöhnt sind, es geht jetzt also auf Weihnachten zu, ne, wir packen uns jetzt immer dicker ein, weil‘s einfach kälter wird und da oben passiert genau das Gegenteil. Da wird's immer wärmer und zu Weihnachten ist dann da oben sehr warm bevor es dann wieder abnimmt und im Sommer da oben sehr kalt wird. Das ist ein Phänomen, das hat man in den fünfziger Jahren das erste Mal so richtig beobachtet. Und erst mal überhaupt nicht so richtig verstanden, was da eigentlich passiert. Und das Verständnis, warum das so wirklich abläuft ist noch gar nicht so alt. Das liegt jetzt gerade ein paar Jahre zurück und es gibt immer noch ein paar Fragezeichen hie und da. Aber im Grundsatz sind wir uns glaube ich relativ sicher in der Wissenschaft, dass wir es jetzt verstanden haben. Und der Prozess, der hat es in sich. Der ist nämlich interessant, nicht nur um dieses Temperaturgefüge zu verstehen, sondern hat auch Bedeutung für die ganze Klimathematik. Und das Zauberwort, das sich dahinter versteckt, sind sogenannte Schwerewellen. Das sind wellenförmige Strömungssysteme in der Atmosphäre. Das haben Sie sicherlich schon einmal gesehen, wenn Sie meinetwegen mal in den Bergen Urlaub gemacht haben, an einem Föntag, dann sehen Sie im Lee der Berge häufig in den Wolken so rippenförmige Strukturen. Wie ein Waschbrettmuster. Oder wenn Sie mit dem Flugzeug unterwegs sind, in den Urlaub fliegen, dann merken Sie manchmal auch, dass es so dann ungemütlich wird. Das Flugzeug fängt an rauf und runter zu schweben, insbesondere dann, wenn Sie über, über von Wasser auf Land zum Beispiel zufliegen oder wenn Sie über Gebirgszüge hindurch, hin drüber fliegen. Und die Ursache dafür sind genau diese wellenförmigen Strömungssysteme, die Schwerewellen. Und Sie können sich das auch sehr anschaulich vorstellen, wie die eigentlich...

W.B. : Ich dachte immer, das seien so Löcher wo man da so reinfällt. Mit dem Flugzeug.

W.R. : Ja, bei einer Welle hast du einen Berg und ein Tal.

W.B. : Ja.

W.R. : Genau.

W.R. : Dieses Loch ist dann eben das Tal.

M.B. : Richtig.

Ganz genau.

W.B. : Und hat was mit der Anziehung zu tun?

W.R. : Mit der Schwerkraft.

W.B. : Mit der Schwerkraft M.B. : Ganz genau. Deswegen heißen die so. Ich erklär's Ihnen mal, wie so eine Schwerewelle zustande kommt. Stellen Sie sich vor, Sie, Sie haben eine Anströmung, eine Luftströmung die auf ein, auf den Gebirgskamm oder auf den Alpenkamm zum Beispiel zugeht. Also nehmen Sie an, Sie stehen in Süditalien oder in Italien. Sie haben dann vor, sich den Alpenkamm, das ist ja wie eine Barriere...

W.B. : Ja.

M.B. : Und jetzt stellen Sie sich ein Luftpaket vor, das Sie auf diesem Alpenkamm zubewegen lassen. Sie können sich also auch einen Luftballon vorstellen, der jetzt auf die Alpen zufliegt. Was macht der jetzt, wenn der an den Alpen ankommt? Der hat eigentlich nur eine Möglichkeit, dieser Ballon, der muss aufsteigen. Und jetzt passiert folgendes: Wenn Sie den Luftballon aufsteigen lassen, dann kommt er in Luftschichten, die von der, von dem Druck her, vom Umgebungsdruck her sehr viel dünner sind. Wir haben, Sie haben einfach weniger Luft in großer Höhe. Das heißt, die Umgebungsdichte nimmt ab und das bedeutet, dass die Luft in dem Luftballon sich ausdehnt. Der Luftballon wird größer, wird an Durchmesser zunehmen und wenn luft dick, wenn Luft expandiert, sich ausdehnt, dann kühlt die sich ab. Den Effekt kennt jeder, der schon einmal einen Fahrradreifen aufgepumpt hat. Da passiert genau das Gegenteil. Sie pressen die Luft in der Luftpumpe zusammen und dann wird es warm. Also wenn Sie die Luft zusammenpressen wird es warm, wenn Sie die auseinanderziehen wird es kalt. Und jetzt stellen Sie sich vor, der Luftballon wird also groß, die Lufttemperatur nimmt ab und irgendwann ist die Luft in dem Ballon kälter als die Umgebungsluft und dann passiert folgendes. Die Luft ist schwerer als die Umgebungsluft, das heißt der Ballon fällt wieder runter. Der sinkt wieder ab. Und durch die Trägheit sinkt er über seine ursprüngliche Höhenlage hinaus ab, also in niedrigere Höhen und jetzt passiert genau das Gegenteil. Der Ballon wird zusammengedrückt, die Luft wird warm, wird wärmer als die Umgebungsluft und dann steigt er wieder auf. Und das Ergebnis ist eine wellenförmige Bahn, die dieser Luftballon vollführen wird.

W.R. : Das heißt unsere Luft schwingt vertikal, die Luftmenge insgesamt.

M.B. : Ganz genau. Sie haben eine vertikal schwingende, schwingendes Luftpaket. Und weil eben die Rückstellkraft also die Kraft, die diesen Ballon wieder zum Boden zurückzieht, die Schwerkraft ist, sprechen wir von Schwerewellen.

W.B. : Nun gibt's aber eine horizontal schwingende Welle, habe ich gelesen. M.B. : Richtig.

Ja, ist richtig. Diese, dieser Ballon hat ja, hat ja unter Umständen auch eine Richtung in der er sich bewegt, meinetwegen von Süden nach Norden, das heißt er bewegt sich dann natürlich auch während er schwingt rauf und runter, bewegt er sich natürlich auch in eine bestimmte Richtung weiter. Das heißt, eine solche Welle ist ein dreidimensionales Phänomen, ne. Die bewegt sich also nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Diese Strömung pflanzt sich in der Atmosphäre vertikal immer weiter aus. Und jetzt passiert folgendes und jetzt komme ich zu dem Punkt, warum dieser Temperaturverlauf da oben andersrum aussieht als hier unten. Jetzt passiert folgendes, diese, diese Schwerewelle, die sich jetzt nach oben hin ausbreitet, wird an Amplitude also an Hump die Größe der Schwingung, die Mächtigkeit der Schwingung nimmt immer stärker zu, weil die Luftdichte immer mehr abnimmt. So können Sie sich das vorstellen und irgendwann wird diese Strömung instabil aus bestimmten Gründen und dann bricht die Welle. Das, der Prozess, der dann abläuft ist der gleiche Prozess den Sie beobachten können, wenn Sie am Strand stehen und Sie sehen eine Wasserwelle auf das Ufer zulaufen und irgendwann fängt dann diese Welle an, weiße Schaumkronen zu bilden. Das ist der, das ist der Moment wo solche Wellenstrukturen brechen und Energie und Impuls an die Umgebung abgeben. Und das ist der entscheidende Punkt mit dem wir es hier zu tun haben. Denn dieser Impuls, das können Sie sich vorstellen wie eine Bremse die plötzlich eingeworfen wird in der Atmosphäre und jetzt ist die Frage, was wird denn eigentlich hier abgebremst? Und jetzt lassen Sie mich vielleicht ganz kurz mal einen globalen Blick auf die Atmosphäre werfen. Schauen Sie sich die Erde an, stellen Sie sich vor, Sie würden auf einem, auf dem Mond sitzen und gucken sich die Erde an, dann haben Sie den Nordpol, den Südpol. Der Nordpol ist im Sommer 24 Stunden von der Sonne beschienen, wird also geheizt, während auf dem Südpol die 24 Stunden Dunkelheit haben. Da wird also kalt. Jetzt wird also die Luft versuchen, vom Nordpol zum Südpol zu strömen. Um einfach den Druckausgleich herzustellen. Und was jetzt einfach passiert, ist folgendes: Wir haben über dem Nordpol aufsteigende Luftmassen, das heißt hier haben Sie eine Abkühlung, im Sommer haben Sie eine Abkühlung. Ja, können Sie sich das vorstellen?

W.R. : Ja.

W.B. : Ja.

M.B. : Das bedeutet im Sommer wird es, wird es kalt. Und auf der Südhalbkugel haben Sie eine absteigende Luftbewegung. Das heißt, da wird es warm. Das heißt, da haben Sie genau den Effekt, dass Sie es im Winter warm haben und im Sommer dann kalt haben.

W.B. : Hat das auch etwas mit dem Jet-Stream zu tun? Dass der diesen Weg dann geht?

M.B. : Richtig.

Der, der Jet-Stream ist eine solche, ist eine solche großräumige Strömung; nur jetzt wenn Sie sich den Jet-Stream angucken, der bläst ja zum Beispiel von Nordamerika rüber nach Europa. Dieser Jet-Stream bewegt sich eben nicht von Norden nach Süden und das hängt damit zusammen, dass die Erde sich dreht. Sie haben eine drehende Erdkugel, das heißt die Luftpakete werden abgelenkt und deswegen haben Sie keine Strömung von Norden nach Süden, sondern eine Strömung von West nach Osten oder von Ost nach Westen.

W.R. : Ich würde ganz gern noch ein bisschen mehr zu der Schwingung wissen. Sie haben schon von der Amplitude..

M.B. : Ja.

W.R. : ...gesprochen. Wie hoch ist die und vor allen Dingen, in welcher Wellenlänge befinden wir uns denn hier?

M.B. : Die Schwerewellen haben typische horizontale Wellenlängen von einigen Kilometern bis zu einigen hundert Kilometern. Und die vertikalen Wellenlängen, die bewegen sich im Bereich von einigen hundert Metern bis zu wenigen Kilometern.

W.R. : Das heißt, das was wir an Wolkenstrukturen sehen, das wird gebildet durch vertikale Bewegung, durch Kondensation oder?

M.B. : Richtig, ja. Genau, ja, genau. Stellen Sie sich vor, Sie haben... Wolke ist ja nichts anderes als kondensierter Wasserdampf, ne. Und wenn Sie sich jetzt vorstellen, Sie haben eine, ein Luftpaket, das sich vertikal nach oben bewegt, kühlt sich ab und irgendwann wird die Temperatur so kalt, der Wasserdampf der in der Atmosphäre sich in diesem Paket befindet, kondensiert und bildet dann diese Nebeltröpfchen. Also die Wolkentröpfchen. Das heißt, diese Wolkenlücken, die Sie sehen, sind dann nichts anderes als die Maxima dieser Schwerewellen.

W.B. : Jetzt habe ich in Ihren Ausführungen gelesen, dass scheinbar in den sogenannten Klimamodellen die Schwerewellen zu wenig Beachtung finden. Und dass man da vielleicht mit, mit neuen Ansätzen irgendwo ein Klimamodell schaffen kann, was ein bisschen genauer wäre. Stimmt das so?

M.B. : Das ist richtig. Ein Klimamodell, schauen Sie, die einzige Möglichkeit, die wir ja haben, um in die Zukunft zu schauen, wie wird sich also unser Klima entwickeln, sind solche mathematischen Modelle. Da stecken wir all unser Wissen hinein, das wir haben über die Physik und die Chemie in der, im System Erde. Und es ist klar, dass unser Wissen noch nicht vollständig ist. Solche Modelle sind extrem komplex, und Klima vorherzusagen bedeutet, dass man insbesondere die großräumigen Strömungssysteme richtig vorhersagt. Wie ändert sich zum Beispiel der von Ihnen gerade genannte Jet-Stream in der Zukunft? Wenn der sich plötzlich ändert in seiner Richtung, dann ändert sich natürlich auch das Klima. Das ist das gleiche als würde sich der Golfstrom jetzt plötzlich in seiner Richtung verändern. Dann haben Sie auch einen signifikanten Effekt. Solche Modelle sind, wie ich gerade sagte, sehr komplex und was wir also machen ist, wir rechnen also an bestimmten Gitterpunkten. Wir legen also eine, ein Gitternetz über die Erde und rechnen an den Knotenpunkten mit dem Modell die entsprechenden physikalischen, chemischen, mathematischen Gleichungen aus. Weil, weil das Verfahren so aufwendig ist und wir noch keine, keine Rechnerkapazitäten haben, die es ermöglichen, praktisch, kontinuierlich an beliebig feinen Gittermaschen zu rechnen, sind diese Gittermaschen endlich groß. Wir haben momentan die Kapazität, dass die Lücke zwischen zwei Gitterpunkten etwa in der Größenordnung von 500 bis 600 Kilometern liegt. Feiner können wir noch nicht rechnen.

W.B. : Und ich glaube um die Hälfte das zu halbieren sind gleich vier Milliarden oder so irgend sowas. An Investitionen. Wenn man das Gitter kleiner macht.

M.B. : Richtig.

Das geht, das geht exponentiell in die Höhe die erforderliche Rechenleistung. Genau.

W.B. : Nun sind ja für die Wetterberechnungen die dicksten Rechner unterwegs, ne. Das ist...

M.B. : Das ist wahr ja.

W.B. : Und die sind immer noch viel zu klein, nö.

M.B. : Das ist immer noch nicht ausreichend. Richtig.

W.B. : Wird man es dann jemals schaffen, das alles zu berechnen und dann gute Vorhersagen zu machen?

M.B. : Also die die Rechnerkapazitäten, die verdoppeln sich ja in regelmäßigen Abständen, das heißt irgendwann werden wir sicher über die nötigen Rechenkapazitäten verfügen. Wir sind dann also rein technisch in der Lage, solche Rechnungen durchzuführen.

W.R. : Welche Auswirkungen haben denn diese Schwerewellen, was man jetzt schon erkennen kann aufgrund der noch relativ groben, groben Struktur, die Ihnen zur Verfügung steht?

M.B. : Ich hatte gerade gesagt, die großräumigen Strömungssysteme, die entscheidenden Systeme sind wenn Sie Klima vorhersagen sollen. Sie müssen also vorhersagen, wie sich die großen Strömungssysteme, die unseren Planeten umspannen, verändern in Zukunft. Und das Neue, was wir jetzt seit einigen Jahren immer stärker sehen und lernen, ist, dass die kleinräumigen Schwerewellen, die wir eben nicht auflösen können mit den Modellen, weil die praktisch durch die Maschen dieser, dieses Gitters hindurch fallen, weil sie eben so klein sind, einen entscheidenden Einfluss haben auf die Richtung dieser großräumigen Strömungssysteme. Diese kleinen, kleinen Schwerewellen brechen, übertragen Impuls auf die großräumigen Strömungssysteme und können damit die Richtung etwas verändern. Das ist so, als würden Sie die Weiche verstellen und ein großer Güterzug kommt angefahren und ändert auf Grund der Weichenstellung seine Richtung. Sie brauchen also gar nicht viel Energie, um eine, einen Güterzug eine ganz andere Richtung zu geben. Das gleiche passiert in der Atmosphäre auch. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Schwerewellen in den Griff kriegen. Und hier haben wir ein Problem. Denn, diese, dieses Strömungssysteme sind sehr klein und wir können sie vom Satelliten aus noch gar nicht vernünftig sehen. Weil unsere Satellitensysteme noch nicht leistungsfähig genug sind, um solche kleinräumigen Strukturen aus vertikaler Auflösung einige hundert Meter bis zu einem Kilometer vielleicht, horizontal nur wenige Kilometer die können wir noch nicht richtig sehen.

W.R. : Aber das sind doch, das sind doch wenn ich das richtig verstanden habe, nur Dichteänderungen in der Atmosphäre. Wie kann man die vom Satelliten aus beobachten?

M.B. : Sie können vom Satelliten aus die Temperatur zum Beispiel messen. Oder, was wir auch machen können, Sie können bestimmte Kontrastmittel messen in der Atmosphäre. Das ist so, als würden Sie zum Arzt gehen, der injiziert Ihnen ein Kontrastmittel und dann kann der Arzt genau sehen, wie sich in Ihrer Blutbahn dieses Kontrastmittel ausbreitet, ja. Dieses Kontrastmittel, das wir uns da zu Nutze machen, sind chemische Spurengase oder Spurengase in der Atmosphäre, die relativ langlebig sind. Dazu gehört zum Beispiel auch Ozon in der Stratosphäre. Das heißt, wenn Sie das Ozon anschauen, dann können Sie aus der zeitlich-räumlichen Veränderung der Ozonkonzentration direkt auf die Strömungssysteme zurückschließen.

W.B. : Können Sie auch vorhersagen, ob das Loch noch mal zugeht?

M.B. : Das Ozonloch?

W.B. : Ja.

M.B. : Ja, die Vorhersagen, die wir jetzt haben, deuten darauf hin, dass wir eine Erholung haben werden in etwa...

W.R. : 100 Jahren.

M.B. : Ja, knapp. Ende dieses, Ende dieses Jahrhunderts, ja.

W.B. : Man schätzte doch mal auf zwanzig Jahre. Das ist also hinfällig.

M.B. : Richtig, das ist hinfällig. Und da sehen Sie schon, nicht, wir lernen halt immer wieder dazu und...

W.B. : Ja.

M.B. : ....immer wieder entdeckt man Effekte, die man in dem Modell nicht berücksichtigt hat und wenn man die einführt, dann ändern sich die Prognose. Also..

W.B. : Kapieren muss man ja, wenn man Ihnen zuhört, dass das alles sehr, sehr komplex ist und das wir als Menschen da ganz kleine Knilche sind. Wo steht denn eigentlich der Erdcomputer, der die ganzen Wolken hin- und herschiebt und so weiter? Das muss ja eine Riesenmaschine sein.

W.R. : Die Klimaveränderungen, die wir beobachten können, dafür werden ja Gründe angegeben, Umweltverschmutzung und ähnliche Sachen.

M.B. : Richtig.

W.R. : Aus der Sicht der Schwerewellen heraus betrachtet oder die mit einbezogen in die Überlegung, ändert sich da die Sicht oder die Erklärung?

M.B. : Das ist eine sehr schwierige Frage, die man sich heute noch gar nicht richtig beantworten kann. Fakt ist, dass wir noch nicht, noch nicht sehr viel wissen über diese Prozesse. Wir stehen ja noch ganz am Anfang. Und wie sich das auswirken wird auf die Projektionsgüte von, von Klimamodellen, das müssen wir noch erst sehen, ja.

W.B. : Ich hab jetzt mal eine Frage zu Ihrem großen Projekt auf der Zugspitze. Dieses GRIPS3 Projekt. Da messen Sie, also Sie können auch Tsunamis detektieren, kommen wir wahrscheinlich gleich noch dazu, und Sie messen in 85 Kilometer Höhe die Temperatur, ohne dass Sie da eine Rakete hochschicken. Wie geht denn so etwas?

M.B. : Ja, das ist interessant, dass man berührungslos messen kann. Wir benutzen da einen Effekt, nämlich die Strahlung. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Molekül in der Atmosphäre und das bestrahlen Sie mit Sonnenenergie. Dieses Molekül nimmt die Energie auf und muss da irgendwo hin mit dieser Energie. Und was dann passiert ist, dass dieses Molekül anfängt, zu schwingen, zu rotieren. Und diese Energie gibt es dann ab in Form von elektromagnetischer Strahlung. Und wir können vom Boden aus diese elektromagnetische Strahlung messen, sehr präzise, und aus der Intensität dieser Strahlung auf die Temperatur zurückschließen, die dieses Molekül, die das Molekül ausgesetzt ist.

W.B. : Aha. Aber Sie schicken doch einen Infrarotstrahl hoch. Und keinen elektromagnetischen Detektor.

M.B. : Unser Apparat schickt keine, keine elektromagnetischen Wellen hoch. Wir haben kein Radargerät, keinen Sender, sondern das, was wir machen ist der umgekehrte Prozess. Wir benutzen die Luftmoleküle als Sender. Wir betrachten die Luftmoleküle selber als Sender. Die geben ihre Strahlung ab und wir können mit unserem Detektor, mit unserem System, diese Strahlung messen. Durch Änderung der Intensität dieser Strahlung können wir auch auf die Änderung der Temperatur an dem Ort, wo sich das Molekül befindet, sehr präzise zurückschließen.

W.R. : In welchem Frequenzbereich oder Wellenlängenbereich spielt sich das ab?

M.B. : Wir messen in einem Wellenlängenbereich im nahen Infraroten. Also das können Sie mit dem Auge nicht mehr sehen. Wir messen also...

W.R. : 800, 900.

M.B. : Zwischen 1,5 und 1,.52 Mykrometer. Das ist ein sehr schwierig zu messender Wellenlängenbereich, weil die Strahlung dort sehr, sehr schwach ist und deswegen benutzen wir einen sehr leistungsfähigen Halbleiterdetektor. Also ein Halbleitermetall und den kühlen wir dann auch noch mit flüssigem Stickstoff auf minus 200 Grad Celsius ab, damit dieser Detektor empfindlich genug ist, um überhaupt diese Strahlung auffangen zu können.

W.B. : So und jetzt kommen wir zum Tsunami.

M.B. : Richtig.

W.B. : Es ex... es würde ein Tsunami existieren, da passiert oben etwas und zwar plötzlich eine Temperaturverschiebung. Warum?

Was passiert bei dem Tsunami und warum misst man dann so 20 oder 30 Grad wurde mir gesagt Temperaturänderung in 85 Kilometer Höhe?

M.B. : Dazu könnten Sie sich noch mal vor Augen führen, wie eigentlich ein Tsunami entsteht. Sie brauchen ein Erdbeben, zum Beispiel. Und jetzt gibt es verschiedene Sorten von Erdbeben. Und nicht alle Erdbeben führen zu einem Tsunami. Das ist eine der großen Schwierigkeiten, die man immer hat, wenn man ein Erdbeben misst. Ist immer die Frage, muss man jetzt warnen vor einem Tsunami oder aber haben wir vielleicht doch keinen Tsunami. Und der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Erdbeben besteht in der Art und Weise, wie die beteiligten tektonischen Platten, also die Erdplatten, aneinander vorbei gleiten. Wenn Sie zwei Erdplatten haben, die sich nur horizontal bewegen, dann kommt es zu einem Beben, aber es hat keinen vertikalen Impuls und führt deswegen nicht zu einem Tsunami. Wenn Sie sich jetzt aber vorstellen, dass eine dieser Erdplatten nach oben schnellt am Erdboden, dann wird die Wasserfläche, die Wassersäule über dem Meeresboden angehoben und das führt dann zu einem Tsunami, zu einer Welle. So und jetzt stellen Sie sich noch mal vor, Sie sitzen in einem Flugzeug und schauen jetzt runter auf die Wasseroberfläche und Sie haben jetzt ein solches Erdbeben. Plötzlich gibt es also einen Puls von unten, vom Meeresboden, der die Wassersäule anhebt. Dann erzeugen Sie einen Wellenberg, der dann in konzentrischen Kreisen auseinanderläuft, sehr schnell. Vom physikalischen Standpunkt her betrachtet ist diese Änderung der Wasseroberfläche nichts anderes als das Vibrieren einer Lautsprechermembran. Nichts anderes passiert auch bei einem Lautsprecher. Diese Membranen vibrieren. Dadurch kommt es zu Dichtefluktationen, die in die Atmosphäre, in die Luft übertragen werden und das nehmen wir dann als Ton wahr. Als Musik oder als Gespräch. Nichts anderes passiert also auch bei einem Tsunami. Nur dass der Ton der dann entsteht, der dann erzeugt wird, so tief ist, dass wir Menschen den gar nicht hören können. Das war der Auslöser, warum wir überhaupt darüber nachgedacht haben, damals, als das mit diesem Tsunami 2004 in Indonesien geschehen ist, da haben uns die Biologen gesagt, dass eine ganze Reihe von Tieren möglicherweise den Tsunami vorher schon gehört haben könnten. Denn es gab Berichte, dass Tiere nervös geworden sind. Und, naja, jetzt stellen Sie sich vor, Sie haben also eine solche Druckschwankung, einen solchen Ton, den Sie in die Atmosphäre abgeben. Ein Ton, ein Schall ist nichts anderes als eine Druckschwankung in der Luft. Druckschwankung bedeutet aber Temperaturschwankung und die pflanzt sich jetzt in der Atmosphäre auch vertikal in großen Höhen fort.

W.B. : Als Infrasound?

M.B. : Als Infraschall. Wir haben das mal abgeschätzt, wie das war 2004 bei dem Tsunami vor Indonesien. Da hätten Sie eine, hätte diese Druckschwankung an der Wasseroberfläche, die hätten Sie fast nicht messen können in der Temperatur, die wäre bei etwa einem Hundertstel Grad gewesen, also fast gar nicht messbar. Jetzt ist es aber so, dass die Atmosphärische Luftdichte mit der Höhe sehr schnell abnimmt. Nimmt exponentiell ab. Und in etwa 85 Kilometern Höhe ist die Luftdichte nur noch ein Millionstel dessen, was wir am Erdboden haben. Das heißt, die Atmosphäre wirkt ja praktisch wie ein, wenn Sie so wollen Signalverstärker. Diese kleine Temperaturschwankung an der Luftoberfläche wird also sehr schnell sehr viel größer und erreicht dann einen, eine Temperaturschwankung von etwa 30 Grad im Bereich von etwa 85 Kilometern Höhe. Und dann...

W.B. : Sie haben aber damals nicht live mitgemessen, oder, bei dem Tsunami?

M.B. : Nö, damals haben wir noch nicht gemessen. Richtig.

W.B. : Und jetzt würden Sie messen?

M.B. : Jetzt ist die, ist der Ansatz der, dass wir unser System, das wir eigentlich gebaut haben um Klimasignale frühzeitig zu erkennen, umrüsten und fit machen um also auch solche Tsunami Events frühzeitig zu erkennen, ja.

W.B. : Können Sie dann auch sagen, wo der Tsunami stattfindet? Oder?

M.B. : Im Grundsatz kann man das machen. Dann brauchen Sie aber mehr als ein System. Dann müssen Sie triangulieren, Sie müssen also den Bereich aus drei verschiedenen Lichtrichtungen anschauen. Aber unser Ansatz ist ein ganz anderer. Wir würden gerne zusammenarbeiten oder das ist der Plan, wir wollen unser System einbauen in ein globales Netzwerk von Frühwarnsystemen und das beinhaltet ja zum Beispiel auch die konventionellen Seismographen, die man ja hat. Und diese Seismographen, die sind in der Lage, Ihnen zu sagen, es hat gekracht, also irgendwo war ein Erdbeben. Sie können das Epizentrum sehr schnell detektieren, wo es war. Die können Ihnen aber nicht sagen, ob das jetzt ein vertikal oder horizontal orientiertes Erdbeben war. Also ob jetzt Tsunami oder nicht Tsunami.

W.B. : Und Sie können das dann mit der Temperaturschwankung erkennen?

M.B. : Richtig.

Die Idee ist dann, dass die Koordinaten übermittelt werden an unsere Systeme. Unsere Systeme können sich ausrichten mit einem Teleskop auf das Luftvolumen über dem Epizentrum und wenn wir dann nach ungefähr fünf Minuten - das ist die Zeit die wir braucht, die der Infraschall braucht, um dann dort oben anzukommen - wenn wir also nach fünf Minuten kein, keine Temperaturfluktuation sehen in dieser Größenordnung gehen wir davon aus, dass dieses Erdbeben nicht einen Tsunami induziert haben dürfte.

W.R. : Das ist ein Wahnsinn, wenn man sich das vorstellt. Diese ganzen Zusammenhänge irgendwo auf dem Meeresboden passiert was und Sie messen oben Temperaturen und sagen, da kommt ein Tsunami. Es ist schon Wahnsinnig. Eigentlich würde ich ganz gerne noch eine Stunde mit Ihnen reden.

W.B. : Ich würde ganz gern mal, wenn ich nächstes mal in Garmisch bin mir das mal anschauen, dieses GRIPS-Gerät. Können wir das machen?

M.B. : Sehr gerne, kein Problem. Geben Sie mir frühzeitig bescheid und dann kommen Sie rauf und schauen Sie sich das an.

W.B. : Ja.

Also ist toll, was da so alles passiert da. Und ich gucke ja abends aus dem Fenster und sehe da oben die Zugspitze und was da alles gemessen wird.

W.R. : Kannst ihm ja mal winken hier.

W.B. : Ich glaube, da sind ja nun noch andere wissenschaftliche Untersuchungen zu Gange. Das ist wohl hoch interessant, da mal reinzuschauen.

M.B. : Ja.

W.R. : Ja, Ihnen ganz herzlichen Dank für diese ganzen Informationen und die neuen Einblicke und die Zusammenhänge. Das ist ein Abenteuer für sich. Und wir sind leider am Ende der Sendung angekommen. Uns bleibt nichts anderes übrig,...

W.B. : Als die Daumen hochzunehmen und ebüb.

W.R. : Und wir sagen immer ein ebüb. Immer ein Bit übrig behalten.

W.B. : Ja.

M.B. : Okay, tschüss. Dankeschön, tschüss.

W.B. : Tschö.

[Erkennungsmelodie] Das war Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph. Technik: Manfred Kloiber und Arne Wohlgemut Produktion: Anja Arp Eine Internet-Sendung der VoxMundi Medienanstalt Köln 2008

Learn languages from TV shows, movies, news, articles and more! Try LingQ for FREE

Folge 135 - vom 17.11.2008 Episode 135 - from 11/17/2008

Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph [Erkennungsmelodie] W.B. :    Herzlich Willkommen, liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer. Es ist die 135. Sendung CC2. Ist ungerade, deshalb fange ich an. Und sie hat etwas Besonderes. Sie ist wieder monothematisch, 30 Minuten monothematisch.

W.R. :    Aber jetzt machst du mal eine Pause.

W.B. :    Warum?

W.R. :    Ja, ich dachte du machst jetzt monothematisch durch. Ich möchte die Zuhörerinnen und Zuhörer ja auch begrüßen. Auch von meiner Seite ein recht herzliches Willkommen und jetzt, Herr Back, darfst du monothematisch weitermachen.

W.B. :    Ja.

Wir machen das deshalb, weil viele letztens, bei dem LHC da in CERN geschrieben haben, war eine schöne Sendung, 30 Minuten am Stück. Konnte man viel von rauslesen. Deshalb wollen wir das mal versuchen so ab und zu auch so einen Halbstünder zu machen. Auch die Sendung mit dem Yakumo-Mann kam gut an. Auch weil die, über China ging es da, weil die auch 30 Minuten lang war und jetzt probieren wir es wieder mit 30 Minuten und zwar geht es um unser Klima. Das ist ja eine ziemlich chaotische Sache. Ich war ja in der letzten Zeit in Garmisch und habe ich in der Tageszeitung dort gelesen, dass es ein GRIPS-System auf der Zugspitze gibt. Hab dann festgestellt, das ist ja gar nicht so neu.

W.R. :    Was war das? Ein GRIPS?

W.B. :    Ein GRIPS3. Und das werden wir gleich wahrscheinlich erfahren. Denn das wird dort unternommen und was ich dann noch erfahren habe ist, alles was über 10 Kilometer in der Höhe ist wird untersucht vom Helmholtz-Institut, von der DLR, und was unter 10 Kilometer ist, das wird von dem Helmholtz-Institut in Garmisch untersucht.

W.R. :    Hoffentlich kommen die sich nicht in die Quere.

W.B. :    Ja, also wir liegen jetzt über 10 Kilometer und auf der anderen Seite des Telefons ist Dr. Bittner. Dr. Michael Bittner. So, und wir wollen ein bisschen reden über die Probleme, die bei der Beobachtung des Wetters entstehen. Und ich habe da viele Unterlagen von ihm gekriegt. Ich bin nicht ganz damit fertiggeworden und ich habe sie auch nicht studiert und habe auch keine Doktorarbeit darüber geschrieben. Aber ich glaube, Sie werden uns einiges über die Schwerewellen erzählen, denn die machen wohl viel aus bei dieser Arbeit. Sie sind noch nicht so ganz erforscht. Und dann möchten wir natürlich auch wissen, mit diesem GRIPS3 Gerät, wo Sie in 85 Kilometer Höhe die Temperatur messen können. Wie kalt ist es da jetzt im Moment?

M.B. :    Also im Moment sind wir da knapp unter Zimmertemperaturen. Also relativ behaglich...

W.R. :    Nein.

M.B. :    ...wenn die Luft nicht so dünn wäre hier.

W.B. :    Nein, das ist ja... wie kommt denn so was? Ich dachte es wäre Weltall-Temperatur, so minus, minus 200 oder so was.

M.B. :    Also im Weltall sind wir bei 85, 87 Kilometern Höhe noch nicht. Da gibt's doch immer noch Luftmoleküle. Weltall das wäre ja wirklich Vakuum und da wird es erst recht richtig ungemütlich, ne.

W.B. :    Aber so 20 Grad, das hätte ich mir doch kälter vorgestellt. Geht das, wie geht das denn von unten los? Also sagen wir mal unten haben wir 20 und wie geht dann der Verlauf los? So nach 100, 200 Metern, nach einem Kilometer?

M.B. :    Ja.

Also der typische Verlauf sieht einfach so aus, das wissen Sie auch wenn Sie in den Urlaub fliegen zum Beispiel, dann sagt der Kapitän immer: Wir fliegen jetzt in 10.000 Metern Höhe und wir haben draußen - 50 Grad Celsius.

W.B. :    Ja.

M.B. :    Das heißt die Temperatur, die nimmt vom Boden bis in etwa so 10, 11, 12 Kilometern Höhe kontinuierlich ab. Und dann passiert etwas Sonderbares. Dann bleibt die Temperatur über einige, einige hundert Meter, durchaus bis zu ein, zwei Kilometern konstant und dann fängt sie an, wieder anzusteigen ganz allmählich. Und dann geht‘s rauf bis etwa 50 Kilometer, 45 bis 50 Kilometer steigt die Temperatur an, und dann passiert wieder, wieder so etwas, dass die Temperatur gleich bleibt und dann wieder abnimmt. Ja, und man spricht dann von Tropopause bei 10 Kilometern. Bei 45 Kilometern von der Stratopause  und dann passiert gleich noch mal eine Umkehr in der Höhe von etwa 85 bis 90 Kilometern. Das ist die sogenannte Mesopausenregion. Und dass dieser Temperaturverlauf so aussieht wie man ihn sieht, das hat natürlich physikalische Ursachen. Die kennt man heute auch relativ gut. Und die haben einerseits zu tun mit Strömungssystemen in der Atmosphäre, die haben aber auch mit dem Heizen in der Atmosphäre zu tun, durch sogenannte Spurengase, also Gase, die nur in Spurenelementen in der Atmosphäre vorkommen und Ozon ist da sicherlich eines der bekanntesten Spurengase. Ozon wirkt also zum Beispiel wie eine Heizplatte in der Atmosphäre. Und Sie wissen vielleicht von der ganzen Ozonloch Diskussion her, dass wir eine Ozonschicht haben, also eine Schicht in der Atmosphäre in der Sie relativ viele Ozonmoleküle vorfinden können. Das passiert so bei 20, 25 Kilometern Höhe. Und dort wird die Strahlung, die von der Sonne kommt, absorbiert und von diesen Ozonmolekülen von, in Form von Wärme wieder abgegeben und das heizt dann die Atmosphäre in diesem Höhenbereich auf, ne. Und diese Heizung setzt sich dann eben durch bis zur Stratopause bei 45, 50 Kilometern.

W.R. :    Da fällt mir gleich eine Frage dazu ein. Sie haben's schon zum Teil erklärt. M.B. :    Ja.

W.R. :    Im Vakuum habe ich ja keine Temperatur, weil die Strahlung von der Sonne dort nirgends drauf trifft, wo etwas umgewandelt werden könnte in Wärme. Wenn ich aber hochgehe von der Erde, 85 Kilometer, da ist doch die Atmosphäre schon sehr, sehr dünn.

M.B. :    Oh ja.

W.R. :    Das heißt ich kann da nicht mehr atmen, nicht mehr leben. Wie kommt es denn, dass da oben dann dennoch so hohe Temperaturen entstehen?

M.B. :    Das ist richtig. Die Luftdichte, also die Anzahl der Moleküle, die Sie in dieser großen Höhe vorfinden, die ist wirklich sehr gering. Etwa 1 Millionstel geringer als hier auf der Erdoberfläche. Aber eben nicht gleich null, ne. Ja, die Frage, warum verhält sich eigentlich die Temperatur jetzt genau umgekehrt dem Temperaturverlauf, den wir jetzt hier am Erdboden gewöhnt sind, es geht jetzt also auf Weihnachten zu, ne, wir packen uns jetzt immer dicker ein, weil‘s einfach kälter wird und da oben passiert genau das Gegenteil. Da wird's immer wärmer und zu Weihnachten ist dann da oben sehr warm bevor es dann wieder abnimmt und im Sommer da oben sehr kalt wird. Das ist ein Phänomen, das hat man in den fünfziger Jahren das erste Mal so richtig beobachtet. Und erst mal überhaupt nicht so richtig verstanden, was da eigentlich passiert. Und das Verständnis, warum das so wirklich abläuft ist noch gar nicht so alt. Das liegt jetzt gerade ein paar Jahre zurück und es gibt immer noch ein paar Fragezeichen hie und da. Aber im Grundsatz sind wir uns glaube ich relativ sicher in der Wissenschaft, dass wir es jetzt verstanden haben. Und der Prozess, der hat es in sich. Der ist nämlich interessant, nicht nur um dieses Temperaturgefüge zu verstehen, sondern hat auch Bedeutung für die ganze Klimathematik. Und das Zauberwort, das sich dahinter versteckt, sind sogenannte Schwerewellen. Das sind wellenförmige Strömungssysteme in der Atmosphäre. Das haben Sie sicherlich schon einmal gesehen, wenn Sie meinetwegen mal in den Bergen Urlaub gemacht haben, an einem Föntag, dann sehen Sie im Lee der Berge häufig in den Wolken so rippenförmige Strukturen. Wie ein Waschbrettmuster. Oder wenn Sie mit dem Flugzeug unterwegs sind, in den Urlaub fliegen, dann merken Sie manchmal auch, dass es so dann ungemütlich wird. Das Flugzeug fängt an rauf und runter zu schweben, insbesondere dann, wenn Sie über, über von Wasser auf Land zum Beispiel zufliegen oder wenn Sie über Gebirgszüge hindurch, hin drüber fliegen. Und die Ursache dafür sind genau diese wellenförmigen Strömungssysteme, die Schwerewellen. Und Sie können sich das auch sehr anschaulich vorstellen, wie die eigentlich...

W.B. :    Ich dachte immer, das seien so Löcher wo man da so reinfällt. Mit dem Flugzeug.

W.R. :    Ja, bei einer Welle hast du einen Berg und ein Tal.

W.B. :    Ja.

W.R. :    Genau.

W.R. :    Dieses Loch ist dann eben das Tal.

M.B. :    Richtig.

Ganz genau.

W.B. :    Und hat was mit der Anziehung zu tun?

W.R. :    Mit der Schwerkraft.

W.B. :    Mit der Schwerkraft M.B. :    Ganz genau. Deswegen heißen die so. Ich erklär's Ihnen mal, wie so eine Schwerewelle zustande kommt. Stellen Sie sich vor, Sie, Sie haben eine Anströmung, eine Luftströmung die auf ein, auf den Gebirgskamm oder auf den Alpenkamm zum Beispiel zugeht. Also nehmen Sie an, Sie stehen in Süditalien oder in Italien. Sie haben dann vor, sich den Alpenkamm, das ist ja wie eine Barriere...

W.B. :    Ja.

M.B. :    Und jetzt stellen Sie sich ein Luftpaket vor, das Sie auf diesem Alpenkamm zubewegen lassen. Sie können sich also auch einen Luftballon vorstellen, der jetzt auf die Alpen zufliegt. Was macht der jetzt, wenn der an den Alpen ankommt? Der hat eigentlich nur eine Möglichkeit, dieser Ballon, der muss aufsteigen. Und jetzt passiert folgendes: Wenn Sie den Luftballon aufsteigen lassen, dann kommt er in Luftschichten, die von der, von dem Druck her, vom Umgebungsdruck her sehr viel dünner sind. Wir haben, Sie haben einfach weniger Luft in großer Höhe. Das heißt, die Umgebungsdichte nimmt ab und das bedeutet, dass die Luft in dem Luftballon sich ausdehnt. Der Luftballon wird größer, wird an Durchmesser zunehmen und wenn luft dick, wenn Luft expandiert, sich ausdehnt, dann kühlt die sich ab. Den Effekt kennt jeder, der schon einmal einen Fahrradreifen aufgepumpt hat. Da passiert genau das Gegenteil. Sie pressen die Luft in der Luftpumpe zusammen und dann wird es warm. Also wenn Sie die Luft zusammenpressen wird es warm, wenn Sie die auseinanderziehen wird es kalt. Und jetzt stellen Sie sich vor, der Luftballon wird also groß, die Lufttemperatur nimmt ab und irgendwann ist die Luft in dem Ballon kälter als die Umgebungsluft und dann passiert folgendes. Die Luft ist schwerer als die Umgebungsluft, das heißt der Ballon fällt wieder runter. Der sinkt wieder ab. Und durch die Trägheit sinkt er über seine ursprüngliche Höhenlage hinaus ab, also in niedrigere Höhen und jetzt passiert genau das Gegenteil. Der Ballon wird zusammengedrückt, die Luft wird warm, wird wärmer als die Umgebungsluft und dann steigt er wieder auf. Und das Ergebnis ist eine wellenförmige Bahn, die dieser Luftballon vollführen wird.

W.R. :    Das heißt unsere Luft schwingt vertikal, die Luftmenge insgesamt.

M.B. :    Ganz genau. Sie haben eine vertikal schwingende, schwingendes Luftpaket. Und weil eben die Rückstellkraft also die Kraft, die diesen Ballon wieder zum Boden zurückzieht, die Schwerkraft ist, sprechen wir von Schwerewellen.

W.B. :    Nun gibt's aber eine horizontal schwingende Welle, habe ich gelesen. M.B. :    Richtig.

Ja, ist richtig. Diese, dieser Ballon hat ja, hat ja unter Umständen auch eine Richtung in der er sich bewegt, meinetwegen von Süden nach Norden, das heißt er bewegt sich dann natürlich auch während er schwingt rauf und runter, bewegt er sich natürlich auch in eine bestimmte Richtung weiter. Das heißt, eine solche Welle ist ein dreidimensionales Phänomen, ne. Die bewegt sich also nicht nur horizontal, sondern auch vertikal. Diese Strömung pflanzt sich in der Atmosphäre vertikal immer weiter aus. Und jetzt passiert folgendes und jetzt komme ich zu dem Punkt, warum dieser Temperaturverlauf da oben andersrum aussieht als hier unten. Jetzt passiert folgendes, diese, diese Schwerewelle, die sich jetzt nach oben hin ausbreitet, wird an Amplitude also an Hump die Größe der Schwingung, die Mächtigkeit der Schwingung nimmt immer stärker zu, weil die Luftdichte immer mehr abnimmt. So können Sie sich das vorstellen und irgendwann wird diese Strömung instabil aus bestimmten Gründen und dann bricht die Welle. Das, der Prozess, der dann abläuft ist der gleiche Prozess den Sie beobachten können, wenn Sie am Strand stehen und Sie sehen eine Wasserwelle auf das Ufer zulaufen und irgendwann fängt dann diese Welle an, weiße Schaumkronen zu bilden. Das ist der, das ist der Moment wo solche Wellenstrukturen brechen und Energie und Impuls an die Umgebung abgeben. Und das ist der entscheidende Punkt mit dem wir es hier zu tun haben. Denn dieser Impuls, das können Sie sich vorstellen wie eine Bremse die plötzlich eingeworfen wird in der Atmosphäre und jetzt ist die Frage, was wird denn eigentlich hier abgebremst? Und jetzt lassen Sie mich vielleicht ganz kurz mal einen globalen Blick auf die Atmosphäre werfen. Schauen Sie sich die Erde an, stellen Sie sich vor, Sie würden auf einem, auf dem Mond sitzen und gucken sich die Erde an, dann haben Sie den Nordpol, den Südpol. Der Nordpol ist im Sommer 24 Stunden von der Sonne beschienen, wird also geheizt, während auf dem Südpol die 24 Stunden Dunkelheit haben. Da wird also kalt. Jetzt wird also die Luft versuchen, vom Nordpol zum Südpol zu strömen. Um einfach den Druckausgleich herzustellen. Und was jetzt einfach passiert, ist folgendes: Wir haben über dem Nordpol aufsteigende Luftmassen, das heißt hier haben Sie eine Abkühlung, im Sommer haben Sie eine Abkühlung. Ja, können Sie sich das vorstellen?

W.R. :    Ja.

W.B. :    Ja.

M.B. :    Das bedeutet im Sommer wird es, wird es kalt. Und auf der Südhalbkugel haben Sie eine absteigende Luftbewegung. Das heißt, da wird es warm. Das heißt, da haben Sie genau den Effekt, dass Sie es im Winter warm haben und im Sommer dann kalt haben.

W.B. :    Hat das auch etwas mit dem Jet-Stream zu tun? Dass der diesen Weg dann geht?

M.B. :    Richtig.

Der, der Jet-Stream ist eine solche, ist eine solche großräumige Strömung; nur jetzt wenn Sie sich den Jet-Stream angucken, der bläst ja zum Beispiel von Nordamerika rüber nach Europa. Dieser Jet-Stream bewegt sich eben nicht von Norden nach Süden und das hängt damit zusammen, dass die Erde sich dreht. Sie haben eine drehende Erdkugel, das heißt die Luftpakete werden abgelenkt und deswegen haben Sie keine Strömung von Norden nach Süden, sondern eine Strömung von West nach Osten oder von Ost nach Westen.

W.R. :    Ich würde ganz gern noch ein bisschen mehr zu der Schwingung wissen. Sie haben schon von der Amplitude..

M.B. :    Ja.

W.R. :    ...gesprochen. Wie hoch ist die und vor allen Dingen, in welcher Wellenlänge befinden wir uns denn hier?

M.B. :    Die Schwerewellen haben typische horizontale Wellenlängen von einigen Kilometern bis zu einigen hundert Kilometern. Und die vertikalen Wellenlängen, die bewegen sich im Bereich von einigen hundert Metern bis zu wenigen Kilometern.

W.R. :    Das heißt, das was wir an Wolkenstrukturen sehen, das wird gebildet durch vertikale Bewegung, durch Kondensation oder?

M.B. :    Richtig, ja. Genau, ja, genau. Stellen Sie sich vor, Sie haben... Wolke ist ja nichts anderes als kondensierter Wasserdampf, ne. Und wenn Sie sich jetzt vorstellen, Sie haben eine, ein Luftpaket, das sich vertikal nach oben bewegt, kühlt sich ab und irgendwann wird die Temperatur so kalt, der Wasserdampf der in der Atmosphäre sich in diesem Paket befindet, kondensiert und bildet dann diese Nebeltröpfchen. Also die Wolkentröpfchen. Das heißt, diese Wolkenlücken, die Sie sehen, sind dann nichts anderes als die Maxima dieser Schwerewellen.

W.B. :    Jetzt habe ich in Ihren Ausführungen gelesen, dass scheinbar in den sogenannten Klimamodellen die Schwerewellen zu wenig Beachtung finden. Und dass man da vielleicht mit, mit neuen Ansätzen irgendwo ein Klimamodell schaffen kann, was ein bisschen genauer wäre. Stimmt das so?

M.B. :    Das ist richtig. Ein Klimamodell, schauen Sie, die einzige Möglichkeit, die wir ja haben, um in die Zukunft zu schauen, wie wird sich also unser Klima entwickeln, sind solche mathematischen Modelle. Da stecken wir all unser Wissen hinein, das wir haben über die Physik und die Chemie in der, im System Erde. Und es ist klar, dass unser Wissen noch nicht vollständig ist. Solche Modelle sind extrem komplex, und Klima vorherzusagen bedeutet, dass man insbesondere die großräumigen Strömungssysteme richtig vorhersagt. Wie ändert sich zum Beispiel der von Ihnen gerade genannte Jet-Stream in der Zukunft? Wenn der sich plötzlich ändert in seiner Richtung, dann ändert sich natürlich auch das Klima. Das ist das gleiche als würde sich der Golfstrom jetzt plötzlich in seiner Richtung verändern. Dann haben Sie auch einen signifikanten Effekt. Solche Modelle sind, wie ich gerade sagte, sehr komplex und was wir also machen ist, wir rechnen also an bestimmten Gitterpunkten. Wir legen also eine, ein Gitternetz über die Erde und rechnen an den Knotenpunkten mit dem Modell die entsprechenden physikalischen, chemischen, mathematischen Gleichungen aus. Weil, weil das Verfahren so aufwendig ist und wir noch keine, keine Rechnerkapazitäten haben, die es ermöglichen, praktisch, kontinuierlich an beliebig feinen Gittermaschen zu rechnen, sind diese Gittermaschen endlich groß. Wir haben momentan die Kapazität, dass die Lücke zwischen zwei Gitterpunkten etwa in der Größenordnung von 500 bis 600 Kilometern liegt. Feiner können wir noch nicht rechnen.

W.B. :    Und ich glaube um die Hälfte das zu halbieren sind gleich vier Milliarden oder so irgend sowas. An Investitionen. Wenn man das Gitter kleiner macht.

M.B. :    Richtig.

Das geht, das geht exponentiell in die Höhe die erforderliche Rechenleistung. Genau.

W.B. :    Nun sind ja für die Wetterberechnungen die dicksten Rechner unterwegs, ne. Das ist...

M.B. :    Das ist wahr ja.

W.B. :    Und die sind immer noch viel zu klein, nö.

M.B. :    Das ist immer noch nicht ausreichend. Richtig.

W.B. :    Wird man es dann jemals schaffen, das alles zu berechnen und dann gute Vorhersagen zu machen?

M.B. :    Also die die Rechnerkapazitäten, die verdoppeln sich ja in regelmäßigen Abständen, das heißt irgendwann werden wir sicher über die nötigen Rechenkapazitäten verfügen. Wir sind dann also rein technisch in der Lage, solche Rechnungen durchzuführen.

W.R. :    Welche Auswirkungen haben denn diese Schwerewellen, was man jetzt schon erkennen kann aufgrund der noch relativ groben, groben Struktur, die Ihnen zur Verfügung steht?

M.B. :    Ich hatte gerade gesagt, die großräumigen Strömungssysteme, die entscheidenden Systeme sind wenn Sie Klima vorhersagen sollen. Sie müssen also vorhersagen, wie sich die großen Strömungssysteme, die unseren Planeten umspannen, verändern in Zukunft. Und das Neue, was wir jetzt seit einigen Jahren immer stärker sehen und lernen, ist, dass die kleinräumigen Schwerewellen, die wir eben nicht auflösen können mit den Modellen, weil die praktisch durch die Maschen dieser, dieses Gitters hindurch fallen, weil sie eben so klein sind, einen entscheidenden Einfluss haben auf die Richtung dieser großräumigen Strömungssysteme. Diese kleinen, kleinen Schwerewellen brechen, übertragen Impuls auf die großräumigen Strömungssysteme und können damit die Richtung etwas verändern. Das ist so, als würden Sie die Weiche verstellen und ein großer Güterzug kommt angefahren und ändert auf Grund der Weichenstellung seine Richtung. Sie brauchen also gar nicht viel Energie, um eine, einen Güterzug eine ganz andere Richtung zu geben. Das gleiche passiert in der Atmosphäre auch. Und deswegen ist es so wichtig, dass wir diese Schwerewellen in den Griff kriegen. Und hier haben wir ein Problem. Denn, diese, dieses Strömungssysteme sind sehr klein und wir können sie vom Satelliten aus noch gar nicht vernünftig sehen. Weil unsere Satellitensysteme noch nicht leistungsfähig genug sind, um solche kleinräumigen Strukturen aus vertikaler Auflösung einige hundert Meter bis zu einem Kilometer vielleicht, horizontal nur wenige Kilometer die können wir noch nicht richtig sehen.

W.R. :    Aber das sind doch, das sind doch wenn ich das richtig verstanden habe, nur Dichteänderungen in der Atmosphäre. Wie kann man die vom Satelliten aus beobachten?

M.B. :    Sie können vom Satelliten aus die Temperatur zum Beispiel messen. Oder, was wir auch machen können, Sie können bestimmte Kontrastmittel messen in der Atmosphäre. Das ist so, als würden Sie zum Arzt gehen, der injiziert Ihnen ein Kontrastmittel und dann kann der Arzt genau sehen, wie sich in Ihrer Blutbahn dieses Kontrastmittel ausbreitet, ja. Dieses Kontrastmittel, das wir uns da zu Nutze machen, sind chemische Spurengase oder Spurengase in der Atmosphäre, die relativ langlebig sind. Dazu gehört zum Beispiel auch Ozon in der Stratosphäre. Das heißt, wenn Sie das Ozon anschauen, dann können Sie aus der zeitlich-räumlichen Veränderung der Ozonkonzentration direkt auf die Strömungssysteme zurückschließen.

W.B. :    Können Sie auch vorhersagen, ob das Loch noch mal zugeht?

M.B. :    Das Ozonloch?

W.B. :    Ja.

M.B. :    Ja, die Vorhersagen, die wir jetzt haben, deuten darauf hin, dass wir eine Erholung haben werden in etwa...

W.R. :    100 Jahren.

M.B. :    Ja, knapp. Ende dieses, Ende dieses Jahrhunderts, ja.

W.B. :    Man schätzte doch mal auf zwanzig Jahre. Das ist also hinfällig.

M.B. :    Richtig, das ist hinfällig. Und da sehen Sie schon, nicht, wir lernen halt immer wieder dazu und...

W.B. :    Ja.

M.B. :    ....immer wieder entdeckt man Effekte, die man in dem Modell nicht berücksichtigt hat und wenn man die einführt, dann ändern sich die Prognose. Also..

W.B. :    Kapieren muss man ja, wenn man Ihnen zuhört, dass das alles sehr, sehr komplex ist und das wir als Menschen da ganz kleine Knilche sind. Wo steht denn eigentlich der Erdcomputer, der die ganzen Wolken hin- und herschiebt und so weiter? Das muss ja eine Riesenmaschine sein.

W.R. :    Die Klimaveränderungen, die wir beobachten können, dafür werden ja Gründe angegeben, Umweltverschmutzung und ähnliche Sachen.

M.B. :    Richtig.

W.R. :    Aus der Sicht der Schwerewellen heraus betrachtet oder die mit einbezogen in die Überlegung, ändert sich da die Sicht oder die Erklärung?

M.B. :    Das ist eine sehr schwierige Frage, die man sich heute noch gar nicht richtig beantworten kann. Fakt ist, dass wir noch nicht, noch nicht sehr viel wissen über diese Prozesse. Wir stehen ja noch ganz am Anfang. Und wie sich das auswirken wird auf die Projektionsgüte von, von Klimamodellen, das müssen wir noch erst sehen, ja.

W.B. :    Ich hab jetzt mal eine Frage zu Ihrem großen Projekt auf der Zugspitze. Dieses GRIPS3 Projekt. Da messen Sie, also Sie können auch Tsunamis detektieren, kommen wir wahrscheinlich gleich noch dazu, und Sie messen in 85 Kilometer Höhe die Temperatur, ohne dass Sie da eine Rakete hochschicken. Wie geht denn so etwas?

M.B. :    Ja, das ist interessant, dass man berührungslos messen kann. Wir benutzen da einen Effekt, nämlich die Strahlung. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Molekül in der Atmosphäre und das bestrahlen Sie mit Sonnenenergie. Dieses Molekül nimmt die Energie auf und muss da irgendwo hin mit dieser Energie. Und was dann passiert ist, dass dieses Molekül anfängt, zu schwingen, zu rotieren. Und diese Energie gibt es dann ab in Form von elektromagnetischer Strahlung. Und wir können vom Boden aus diese elektromagnetische Strahlung messen, sehr präzise, und aus der Intensität dieser Strahlung auf die Temperatur zurückschließen, die dieses Molekül, die das Molekül ausgesetzt ist.

W.B. :    Aha. Aber Sie schicken doch einen Infrarotstrahl hoch. Und keinen elektromagnetischen Detektor.

M.B. :    Unser Apparat schickt keine, keine elektromagnetischen Wellen hoch. Wir haben kein Radargerät, keinen Sender, sondern das, was wir machen ist der umgekehrte Prozess. Wir benutzen die Luftmoleküle als Sender. Wir betrachten die Luftmoleküle selber als Sender. Die geben ihre Strahlung ab und wir können mit unserem Detektor, mit unserem System, diese Strahlung messen. Durch Änderung der Intensität dieser Strahlung können wir auch auf die Änderung der Temperatur an dem Ort, wo sich das Molekül befindet, sehr präzise zurückschließen.

W.R. :    In welchem Frequenzbereich oder Wellenlängenbereich spielt sich das ab?

M.B. :    Wir messen in einem Wellenlängenbereich im nahen Infraroten. Also das können Sie mit dem Auge nicht mehr sehen. Wir messen also...

W.R. :    800, 900.

M.B. :    Zwischen 1,5 und 1,.52 Mykrometer. Das ist ein sehr schwierig zu messender Wellenlängenbereich, weil die Strahlung dort sehr, sehr schwach ist und deswegen benutzen wir einen sehr leistungsfähigen Halbleiterdetektor. Also ein Halbleitermetall und den kühlen wir dann auch noch mit flüssigem Stickstoff auf minus 200 Grad Celsius ab, damit dieser Detektor empfindlich genug ist, um überhaupt diese Strahlung auffangen zu können.

W.B. :    So und jetzt kommen wir zum Tsunami.

M.B. :    Richtig.

W.B. :    Es ex... es würde ein Tsunami existieren, da passiert oben etwas und zwar plötzlich eine Temperaturverschiebung. Warum?

Was passiert bei dem Tsunami und warum misst man dann so 20 oder 30 Grad wurde mir gesagt Temperaturänderung in 85 Kilometer Höhe?

M.B. :    Dazu könnten Sie sich noch mal vor Augen führen, wie eigentlich ein Tsunami entsteht. Sie brauchen ein Erdbeben, zum Beispiel. Und jetzt gibt es verschiedene Sorten von Erdbeben. Und nicht alle Erdbeben führen zu einem Tsunami. Das ist eine der großen Schwierigkeiten, die man immer hat, wenn man ein Erdbeben misst. Ist immer die Frage, muss man jetzt warnen vor einem Tsunami oder aber haben wir vielleicht doch keinen Tsunami. Und der Unterschied zwischen diesen verschiedenen Erdbeben besteht in der Art und Weise, wie die beteiligten tektonischen Platten, also die Erdplatten, aneinander vorbei gleiten. Wenn Sie zwei Erdplatten haben, die sich nur horizontal bewegen, dann kommt es zu einem Beben, aber es hat keinen vertikalen Impuls und führt deswegen nicht zu einem Tsunami. Wenn Sie sich jetzt aber vorstellen, dass eine dieser Erdplatten nach oben schnellt am Erdboden, dann wird die Wasserfläche, die Wassersäule über dem Meeresboden angehoben und das führt dann zu einem Tsunami, zu einer Welle. So und jetzt stellen Sie sich noch mal vor, Sie sitzen in einem Flugzeug und schauen jetzt runter auf die Wasseroberfläche und Sie haben jetzt ein solches Erdbeben. Plötzlich gibt es also einen Puls von unten, vom Meeresboden, der die Wassersäule anhebt. Dann erzeugen Sie einen Wellenberg, der dann in konzentrischen Kreisen auseinanderläuft, sehr schnell. Vom physikalischen Standpunkt her betrachtet ist diese Änderung der Wasseroberfläche nichts anderes als das Vibrieren einer Lautsprechermembran. Nichts anderes passiert auch bei einem Lautsprecher. Diese Membranen vibrieren. Dadurch kommt es zu Dichtefluktationen, die in die Atmosphäre, in die Luft übertragen werden und das nehmen wir dann als Ton wahr. Als Musik oder als Gespräch. Nichts anderes passiert also auch bei einem Tsunami. Nur dass der Ton der dann entsteht, der dann erzeugt wird, so tief ist, dass wir Menschen den gar nicht hören können. Das war der Auslöser, warum wir überhaupt darüber nachgedacht haben, damals, als das mit diesem Tsunami 2004 in Indonesien geschehen ist, da haben uns die Biologen gesagt, dass eine ganze Reihe von Tieren möglicherweise den Tsunami vorher schon gehört haben könnten. Denn es gab Berichte, dass Tiere nervös geworden sind. Und, naja, jetzt stellen Sie sich vor, Sie haben also eine solche Druckschwankung, einen solchen Ton, den Sie in die Atmosphäre abgeben. Ein Ton, ein Schall ist nichts anderes als eine Druckschwankung in der Luft. Druckschwankung bedeutet aber Temperaturschwankung und die pflanzt sich jetzt in der Atmosphäre auch vertikal in großen Höhen fort.

W.B. :    Als Infrasound?

M.B. :    Als Infraschall. Wir haben das mal abgeschätzt, wie das war 2004 bei dem Tsunami vor Indonesien. Da hätten Sie eine, hätte diese Druckschwankung an der Wasseroberfläche, die hätten Sie fast nicht messen können in der Temperatur, die wäre bei etwa einem Hundertstel Grad gewesen, also fast gar nicht messbar. Jetzt ist es aber so, dass die Atmosphärische Luftdichte mit der Höhe sehr schnell abnimmt. Nimmt exponentiell ab. Und in etwa 85 Kilometern Höhe ist die Luftdichte nur noch ein Millionstel dessen, was wir am Erdboden haben. Das heißt, die Atmosphäre wirkt ja praktisch wie ein, wenn Sie so wollen Signalverstärker. Diese kleine Temperaturschwankung an der Luftoberfläche wird also sehr schnell sehr viel größer und erreicht dann einen, eine Temperaturschwankung von etwa 30 Grad im Bereich von etwa 85 Kilometern Höhe. Und dann...

W.B. :    Sie haben aber damals nicht live mitgemessen, oder, bei dem Tsunami?

M.B. :    Nö, damals haben wir noch nicht gemessen. Richtig.

W.B. :    Und jetzt würden Sie messen?

M.B. :    Jetzt ist die, ist der Ansatz der, dass wir unser System, das wir eigentlich gebaut haben um Klimasignale frühzeitig zu erkennen, umrüsten und fit machen um also auch solche Tsunami Events frühzeitig zu erkennen, ja.

W.B. :    Können Sie dann auch sagen, wo der Tsunami stattfindet? Oder?

M.B. :    Im Grundsatz kann man das machen. Dann brauchen Sie aber mehr als ein System. Dann müssen Sie triangulieren, Sie müssen also den Bereich aus drei verschiedenen Lichtrichtungen anschauen. Aber unser Ansatz ist ein ganz anderer. Wir würden gerne zusammenarbeiten oder das ist der Plan, wir wollen unser System einbauen in ein globales Netzwerk von Frühwarnsystemen und das beinhaltet ja zum Beispiel auch die konventionellen Seismographen, die man ja hat. Und diese Seismographen, die sind in der Lage, Ihnen zu sagen, es hat gekracht, also irgendwo war ein Erdbeben. Sie können das Epizentrum sehr schnell detektieren, wo es war. Die können Ihnen aber nicht sagen, ob das jetzt ein vertikal oder horizontal orientiertes Erdbeben war. Also ob jetzt Tsunami oder nicht Tsunami.

W.B. :    Und Sie können das dann mit der Temperaturschwankung erkennen?

M.B. :    Richtig.

Die Idee ist dann, dass die Koordinaten übermittelt werden an unsere Systeme. Unsere Systeme können sich ausrichten mit einem Teleskop auf das Luftvolumen über dem Epizentrum und wenn wir dann nach ungefähr fünf Minuten - das ist die Zeit die wir braucht, die der Infraschall braucht, um dann dort oben anzukommen - wenn wir also nach fünf Minuten kein, keine Temperaturfluktuation sehen in dieser Größenordnung gehen wir davon aus, dass dieses Erdbeben nicht einen Tsunami induziert haben dürfte.

W.R. :    Das ist ein Wahnsinn, wenn man sich das vorstellt. Diese ganzen Zusammenhänge irgendwo auf dem Meeresboden passiert was und Sie messen oben Temperaturen und sagen, da kommt ein Tsunami. Es ist schon Wahnsinnig. Eigentlich würde ich ganz gerne noch eine Stunde mit Ihnen reden.

W.B. :    Ich würde ganz gern mal, wenn ich nächstes mal in Garmisch bin mir das mal anschauen, dieses GRIPS-Gerät. Können wir das machen?

M.B. :    Sehr gerne, kein Problem. Geben Sie mir frühzeitig bescheid und dann kommen Sie rauf und schauen Sie sich das an.

W.B. :    Ja.

Also ist toll, was da so alles passiert da. Und ich gucke ja abends aus dem Fenster und sehe da oben die Zugspitze und was da alles gemessen wird.

W.R. :    Kannst ihm ja mal winken hier.

W.B. :    Ich glaube, da sind ja nun noch andere wissenschaftliche Untersuchungen zu Gange. Das ist wohl hoch interessant, da mal reinzuschauen.

M.B. :    Ja.

W.R. :    Ja, Ihnen ganz herzlichen Dank für diese ganzen Informationen und die neuen Einblicke und die Zusammenhänge. Das ist ein Abenteuer für sich. Und wir sind leider am Ende der Sendung angekommen. Uns bleibt nichts anderes übrig,...

W.B. :    Als die Daumen hochzunehmen und ebüb.

W.R. :    Und wir sagen immer ein ebüb. Immer ein Bit übrig behalten.

W.B. :    Ja.

M.B. :    Okay, tschüss. Dankeschön, tschüss.

W.B. :    Tschö.

[Erkennungsmelodie] Das war Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph. Technik: Manfred Kloiber und Arne Wohlgemut Produktion: Anja Arp  Eine Internet-Sendung der VoxMundi Medienanstalt Köln 2008