So war der letzte Sumsemann denn auch eines schönen Abends in das Schlafzimmer von Peterchen und Anneliese geraten, als die Kinder gerade von der dicken Minna zu Bett gebracht wurden. Peterchen hatte natürlich sein Gebrumm gehört und wollte ihn greifen. Gut war nur, dass Minna die Jagd nicht erlaubte, denn sonst wäre Sumsemann vielleicht in eine schlimme Lage geraten. Sie war wahrscheinlich schwerhörig, denn sie hatte gar nichts gehört und glaubte, dass Peterchen ihr nur etwas vormachen wolle, um im Hemdchen noch so »ein bissel (ein bisschen)« im Zimmer herumzuturnen.
Der Schreck war dem edlen Sumsemann aber doch scheußlich (in diesem Fall = sehr) in die Glieder gefahren, und, trotzdem er gerade heute besonders viele Vergißmeinnichtschnäpschen getrunken hatte, war all sein Mut fort. Er lag oben auf der Gardinenstange und stellte sich tot. Dies ist ein altes und bewährtes Mittel bei den Maikäfern, in großen Gefahren. Derweil aber passte er genau auf, was im Zimmer geschah. Die Minna ging fort, als sie die Kinder ins Bettchen gepackt hatte, und Peterchen unterhielt sich mit Anneliese natürlich gleich über den Maikäfer. Jetzt wurde es wieder gefährlich!
Der Sumsemann bekam oben auf der Gardinenstange kolossales (gewaltiges, mächtiges) Herzklopfen, als Peterchen plötzlich leise aufstand, um ihn zu suchen, weil Anneliese ein bissel Angst hatte.
>Wer weiß, es hätte ihm doch ans Leben gehen können; obwohl die Kinder ja sonst gut waren. Aber man darf sich auf die Gutmütigkeit der Menschen nicht verlassen.< Dies wusste er aus seiner Familiengeschichte. Das Geschick war ihm aber günstig; denn, gerade als Peterchen an der Gardine war und die Gefahr am höchsten stieg, kam die Mutter herein. Husch! wurde der kleine Junge wieder ins Bettchen gesteckt; beide Kinder mussten die Hände falten und das Nachtgebet sprechen. Dann sang die Mutter ihnen noch ein Schlaflied. Und sie sang die berühmte Maikäferballade. Hier ist sie: »War einst ein kleines Käferlein, Summ - Summ - Summ -Hatte zwei braune Flügelein, Summ - Summ - Summ - Und sechs Beinchen hatte es auch Unter seinem schwarz-weißen Bauch, Summ - Summ - Summ. Saß auf einem grünen Baum, Summ - Summ - Summ - Träumte einen schönen Traum, Summ - Summ - Summ - Träumte von Sonne, Mond und Sternen Und von fremden Länderfernen, (und von fremden fernen Ländern) Summ - Summ - Summ.
Als der dunkle Abend kam, Summ - Summ - Summ - Käferlein sein Ränzel (Ranzen, Bündel, Rucksack) nahm, Summ - Summ - Summ - Wollt' auf die große Reise gehn Und die weite Welt besehn, (sich ansehen) Summ - Summ - Summ. Flog über einen breiten Bach, Summ - Summ - Summ - Verlor ein kleines Beinchen, ach! Summ - Summ - Summ - Reiste nur noch mit fünf Beinen, Tat so bitterlich drum weinen, Summ - Summ - Summ.
Flog es nach dem Mond geschwind, Summ - Summ - Summ - Kam ein großer Wirbelwind, Summ - Summ - Summ - Brach ein Flügelchen entzwei; Ach, das gab ein groß' Geschrei! Summ - Summ - Summ.
Fiel in einen tiefen Wald, Summ - Summ - Summ - Starb an seinem Kummer bald, Summ - Summ - Summ - Musst' die Reis' ein Ende haben; (musste die Reise ein Ende haben) Sandmännchen hat es eingegraben, Summ - Summ - Summ.«