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Computer Club Zwei, Folge 127 - vom 22.09.2008

Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph [Erkennungsmelodie] W.B. : Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer.Wir sind heute mit der 127. Folge CC2 beschäftigt. Und wir haben ganz spontan entschlossen, obwohl es nicht so geplant war, wir machen heute, weil das Thema so toll ist, eine ganze halbe Stunde daraus. Das heißt, nur ein einziges Thema, Wolfgang. Und du willst wahrscheinlich auch die Zuhörer begrüssen.

W.R. : Selbstverständlich. Auch ich begrüße alle Zuhörerinnen und alle Zuhörer ganz herzlich von meiner Seite. Und, ja, das Thema, um das es heute geht, das ist CERN. Das ist also dieses LHC, diese neue 27 oder knapp 27 Kilometer lange Röhre, in der dann Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Und wenn sie dann schnell genug sind, auf einander treffen sollen. Aber, im Vorfeld dazu, es hat ja eine ganze Menge Pressewirbel gegeben. Und ich habe immer da gesessen und hab gesagt, gedacht, das ist die gleiche Qualität, die wir beim Rinderwahn hatten, die wir bei der Vogelseuche hatten, die wir bei Jahr 2000 Problem hatten. Es gibt immer irgendwelche Leute, die ein Weltuntergangsscenario herbei reden wollen. Obwohl die 5000 Wissenschaftler, die beim CERN damit befasst sind, die haben keine Angst, dass ein schwarzes Loch unsere Erde auffrisst.

W.B. : Aber es gab da doch jemand, der hat sogar eine einstweilige Verfügung versucht, zu kriegen, Ein sogenannter Wissenschaftler, Psychologe war das glaube ich, und ist allerdings abgeschmettert mit, mit seiner einstweiligen Verfügung. Zunächst begrüßen wir aber mal den Michael Hauschild, Dr. Michael Hauschild. Er ist Teilchenphysiker am CERN. Mit dem wollen wir die halbe Stunde gemeinsam verbringen. Erst mal, herzlich willkommen bei uns in der Sendung, Herr Hauschild.

M.H. : Ja, schönen guten Tag.

W.B. : Ich war in einer Situation, da flog ich ganz schnell nach CERN um den Herrn Fleischmann zu treffen, der damals mit einer kalten Fusion die Welt verrückt gemacht hat. Können Sie sich noch daran entsinnen?

M.H. : Ja, ich kann mich noch dran entsinnen. Das ist aber schon ein paar Jährchen her.

W.B. : Ja.

Ja, ja.

M.H. : Und ich weiß auch noch, dass hier sogar das ein bisschen ernst genommen worden ist. Man wusste ja damals nicht ganz genau, was soll man davon halten. Und es gab tatsächlich hier auch ein kleines Team, das hat versucht, das hier nachzuvollziehen. Aber, wie das auch bei anderen so war, alle sind daran gescheitert, weil es sich tatsächlich also nicht realisieren lässt.

W.B. : Mich hat vor allen Dingen gewundert, dieser Herr Fleischmann, ich habe neben ihm gesessen, da hat er seinen Koffer aufgemacht, und in dem Koffer waren zwei Toilettenpapierrollen drin. Das war alles das, was er dabei hatte. Hat mich sehr gewundert.

M.H. : Ja, vielleicht hatten wir hier das falsche Toilettenpapier. Deswegen hat das nicht funktioniert.

W.B. : Ja.

Gut. Jetzt aber, Wolfgang, zu dem Versuch, der in CERN stattfindet. Also in Genf stattfindet.

W.R. : Nein, nein. Ich möchte vorher noch mal ganz kurz den Leuten, die uns zuhören, verständlich machen, oder zumindest nur versuchen verständlich zu machen, dass es eigentlich gar keine Gefahr geben kann. Man sollte sich mal folgendes vorstellen: Unsere Sonne, wenn die plötzlich kollabiert und zum schwarzen Loch würde, was sie gar nicht kann...

W.B. : Warum nicht?

W.R. : Weil die Masse reicht nicht aus dafür und die Energie reicht nicht aus dafür. Aber wenn es dennoch so wäre, was würde sich dann ändern für die Erde? Mal abgesehen davon, dass es dunkel und kalt würde. Würde die Erde dann in die Sonne stürzen?

M.H. : Die Erde würde sich, würde nicht in die Sonne stürzen.

W.R. : Genau.

M.H. : Die Schwerkraft ist genau die selbe wie vorher auch.

W.B. : Ja.

M.H. : Es wäre halt dunkel. Das ist richtig. Also die Erde würde erkalten. Aber ansonsten würde sich nichts ändern.

W.R. : Genau.

So. Und wenn man sich jetzt vorstellt, welche ungeheuere Energie und Masse doch in unserer Sonne steckt, dann kann man sich vorstellen, dass man diese Energie auch in CERN nicht erzeugen kann. Und dass man ein schwarzes Loch überhaupt nicht in dieser Größenordnung erzeugen kann, dass irgendetwas derartiges passiert, dass dieses schwarze Loch unsere Erde plötzlich auffrisst und vernichtet.

W.B. : Nun gibt es aber wohl schwarze Löcher. Zumindest in der Wissenschaft. Herr Hauschild, können Sie mal kurz erklären, für unsere Zuhörer, was ist ein schwarzes Loch und wie kann es entstehen?

M.H. : Ja, ein schwarzes Loch, so wie wir das landläufig verstehen,ist etwas, was im Universum vermutlich vorkommt. Ein direkter Nachweis meines Wissens gab es noch nicht, sondern immer nur indirekt. Was passieren kann ist, dass wenn eine, ein Stern von einer Größe mehr als die Sonne, größer als die Sonne, also zehn mal mehr Masse zum Beispiel, wenn der am Ende seines Fusionszyklus angekommen ist und praktisch keine innere Kraft mehr wirkt, kein Druck von innen, der den Gasball praktisch so hält wie er jetzt ist W.R. : Aufbläst dann. M.H. : Wenn es also keine innere Kraft mehr gibt, der Fusionszyklus ist beendet, dann fällt dieser Stern in sich zusammen, wird immer dichter und es gibt praktisch nichts, was diesen gravitionellen Zusammenfall, diesen Kollaps, aufhalten kann. Das heißt, die Materie wird dichter, dichter, dichter, dichter, dichter, schrumpft zusammen auf ganz kleine Dimensionen. Größenordnung nur Kilometer im Bereich von diesen Sternen und dann ist die Gravitation, die Schwerkraft an der Oberfläche und in der Nähe so hoch, dass noch nicht einmal das Licht aus diesem Bereich entkommen kann. Das Licht praktisch bleibt auf halbem Wege stehen. Und das heißt, wir sehen von diesem Objekt, von diesem sehr, sehr dichten Objekt, überhaupt nichts außen, sondern wir sehen nur Nichts. Schwärze. Und deswegen hat das sich, hat das den Namen "ein schwarzes Loch" bekommen. W.R. : Ob es das nun wirklich gibt ist auch noch nicht hundertprozentig geklärt. Denn es war noch keiner da, hat sich eins ansehen können. Ist ja auch schwerlich möglich, glaub ich, weil wenn man bestimmte Ereignishorizonte überwunden hat, kommt man sowieso nicht mehr zurück.

W.B. : Ja, ja.

W.R. : Nach der Theorie.

W.B. : Wärst du auch mit drin im schwarzen Loch.

W.R. : Naja, du würdest nichts mehr merken.

M.H. : Es gibt schon einen indirekten Hinweis, das muss ich vielleicht schon sagen. Nämlich im Zentrum der Milchstraße, also unserer Galaxie, da wird ein schwarzes Loch vermutet. Mit mehreren Millionen Sonnenmassen und man kann das jetzt mit neuesten Infrarotteleskopen ganz gut beobachten. Nicht das schwarze Loch selber, aber die Auswirkungen, die Schwerkraft davon. Man sieht nämlich Sterne, die um das Zentrum herum sich bewegen und diese Bewegung kann man eigentlich nur erklären, wenn im Inneren ein Objekt ist, was wirklich einige Millionen Sonnenmassen hat. Also das ist ein indirekter Nachweis, aber gesehen hat's natürlich selber noch niemand. W.B. : Und diese Sterne werden dann auch verschwinden irgendwann, ne, wenn das tatsächlich ein schwarzes Loch ist?

M.H. : Nicht unbedingt. Weil, es ist zwar eine sehr große Schwerkraft, aber die Sterne bewegen sich darum, wie zum Beispiel jetzt die Erde um die Sonne. Und auch die Erde stürzt ja iin Jahrmillionen nicht da rein. Also das wird also so schnell nicht passieren, nein.

W.B. : Dieses LHC, wie könnte man das eigentlich beschreiben? Was ist das eigentlich?

M.H. : Das ist eigentlich, gut, die größte Maschine der Welt, wenn man so will. Eine elektromagnetische Maschine. Also das ist nichts wo sich jetzt irgendwelche Kolben bewegen, eine Mechanik bewegt, die man sieht. Also kein Eektromotor in dem Sinne. Oder keine Dampfmaschine. Aber es ist eine elektromagnetische Maschine, in der kleinste Elementarteilchen, Protonen, die Kerne von Wasserstoffatomen, beschleunigt werden auf höchste Energien. W.R. : Das ist also ein etwa 27 Kilometer langer Ring, wo in bestimmten Abständen Magnetspulen sind, damit man diese Protonen in der Bahn halten kann und beschleunigen kann?

M.H. : Ja, es gibt verschiedene Arten von Beschleunigern, von Teilchenbeschleunigern und dieser LHC gehört zu dem Typ der Kalbeschleuniger. Was man da macht ist, man hat, in unserem Fall in einem Tunnel von 27 Kilometer Umfang viele Magnete, superleitende Magnete. Also Magnete, die auf sehr kalte Temperatur gekühlt werden, 1,9 Kelvin nur. Das ist also nur 1.9 ° über dem absoluten Nullpunkt. Und mit superleitenden Magneten lassen sich sehr starke Magnetfelder erzeugen. 8,3 TEDS in unserem Fall. Das ist also etwa zwei bis dreimal so viel, wie in konventionellen Kernspintomographen wie sie zur medizinischen Diagnostik verwendet werden. Und diese Magnete haben nun die Aufgabe, die Protonen auf der Kreisbahn zu halten, nur auf der Kreisbahn zu halten. Das heißt, die Magnete sorgen nur dafür, dass die immer wieder um diese 27 km rumfliegen und an einer bestimmten Stelle - das sind nur etwa zehn Meter - da findet die eigentliche Beschleunigung statt. Nämlich über Mikrowellen, Hochfrequenz, von etwa 800 Megahertz. Also etwas ähnliches, wie sie auch zuhause im Mikrowellenherd haben. Und an dieser Stelle - über zehn Meter ungefähr - werden die Protonen beschleunigt. Reiten praktisch auf einer elektromagnetischen Welle wie ein Wellenreiter. Werden vorangetrieben, werden beschleunigt. Dann hört die Beschleunigung auf, die Protonen werden über die starken Magnete herumgeführt über 27 km. Kommen wieder an die selbe Stelle zurück und kriegen wieder einen neuen Kick und das ganze dauert dann ungefähr zwanzig Minuten und dann ist man auf der höchsten Energie.

W.B. : Dann ist er wie oft rumgesaust?

M.H. : Also die Protonen laufen herum etwa zehntausend mal pro Sekunde.

W.B. : Ui.

M.H. : Und zwanzig Minuten, ja, das müßte ich jetzt auch selber ausrechnen aber jedenfalls oft.

W.B. : 60 mal 20 sind 1200 und 10 mal sind 12000.

W.R. : Nur um mal so eine Größenordnung zu geben. Ein solcher Magnet ist mit seinem kompletten Gehäuse und seinem Standfuß und sowas. Einer der größten davon 12500 Tonnen schwer. Ich hab gedacht, das kann nicht sein. Aber ist wohl war.

M.H. : Ja, da muss man unterscheiden, denn es gib den eigentlichen Beschleuniger und der besteht aus über Tausend Magneten, Ablenkmagneten, diese supraleitenden Magneten, von denen ich eben erzählt hatte, das wiegt, dieses gesamte Gebilde wiegt 40000 Tonnen. Das ist nochmal etwas mehr.

W.R. : Ach du Gott.

M.H. : Aber, wir haben ja... Wir verfolgen ja auch einen bestimmten Zweck mit den Teilchen, mit den beschleunigten Teilchen. Was wir machen möchten ist, und dazu dient das alles, wir möchten nicht nur ein Teilchen oder einige Teilchen in einer Richtung herumlaufen lassen, sondern auch einen zweiten Protonenstrahl in der entgegengesetzten Richtung. Und an vier Stellen entlang dieses 27 km langen Rings, bringen wir diese Protonenstrahlen zur Kollision. Und dort stellen wir große Teilchendetektoren hin, die aufzeichnen, was bei diesen Kollisionen passiert ist und einer dieser Teilchendetektoren, den wir eben genannt hatten, besteht tatsächlich aus einem Magneten, der mit allem drum und dran, Eisen, was dazu gehört, 12500 Tonnen wiegt.

W.B. : Gibt's aber keinen Kran für, nö? M.H. : Da gibt's keinen Kran für, für die 12500 Tonnen. Aber das wurde so gemacht, dass ganze, der ganze Stahldetektor ist unterirdisch, wie auch der ganze Tunnel, der LHC-Beschleuniger, etwa in 100 Meter Tiefe. Und dementsprechend sind auch die Teilchendetektoren in dieser Tiefe, in einer unterirdischen Kaserne. Die größten Kasernen sind 80 Meter lang und 40 Meter hoch und das ist aber schon eine richtige Kathedrale unter Tage.

W.B. : Toll.

M.H. : Und ja, wie bringt man jetzt da unten den Teilchendetektor rein? Also das muss ja, das geht durch Schächte. Aber die Schächte sind nicht groß genug, dass der komplette Detektor da runtergelassen werden kann. Und so einen großen Kran gibt's nicht, dass haben Sie ja schon bemerkt. Aber in diesem Fall, von dem 12500 Tonnen Detektor, wurde das so gemacht, dass dieser Detektor in, an der Oberfläche, in einer Halle an der Oberfläche in großen Teilen zusammengebaut worden ist. Das größte Teil wiegt etwas 2000 Tonnen. Und mit einem, tatsächlich mit einem Kran, einem stationären Kran, der aus der Schiffsbauindustrie kommt, aus der Werftindustrie, wurde dieses Teil, dieses 2000 Tonnen Teil und noch einige andere Teile in der Größenordnung, in der gleichen Größenordnung, heruntergelassen und unten dann zusammengesetzt.

W.R. : Jetzt wollen Sie Protonen aufeinander prallen lassen. Warum?

M.H. : Die Möglichkeit bei Protonen, wenn wir Protonen aufeinander treffen lassen, bei höchsten Energien, interessiert uns etwas, nämlich wir betreiben hier Grundlagenforschung. Grundlagenforschung - also nicht in dem Sinne Forschung wie zum Beispiel in der Industrie, wo ich jetzt hingehen möchte und zum Beispiel ein Produkt entwickle, was ich dann verkaufe. Unser Produkt hier bei der Grundlagenforschung ist Wissen. Also wir produzieren Wissen. Und um das Wissen zu produzieren, müssen wir diese Protonen zusammentreffen lassen bei höchsten Energien. Weil die Hoffnung ist, dass wir dann neue Elementarteilchen produzieren können...

W.B. : Also erstmal entsteht ja...

M.H. : ...die wir bisher noch nicht produzieren konnten.

W.R. : Ja, erst mal entsteht natürlich Energie. Und aus dieser Energie dann wieder diese Elementarteilchen?

M.H. : So ist es. Ja.

Also man darf sich das nicht so vorstellen, wie manche Leute jetzt so vielleicht sich denken würden, das ist etwas wie ein Atomzertrümmerer den wir hier betreiben. Das ist es nicht. Es ist nicht so, dass wir hier ein Atom beschießen und dann zertrümmern wir es und dann gucken wir nach Splittern und da ist jetzt vielleicht irgendwas dabei, was uns interessiert. So passiert es nicht. Obwohl sehr häufig das Bild eines Atomzertrümmerers auch in der englischsprachigen Literatur verwendet wird. Was wir machen, ist, wir lassen die Protonen kollidieren und diese Kollisionsenergie, die reine Energie der Kollision, wird umgewandelt in Materie, in Masse von neuen Teilchen. Das entspricht praktisch genau Einsteins berühmter Gleichung: E=mc2. Also wir stecken E auf der einen Seite rein, Energie, und auf der anderen Seite kommt m, die Materie, raus. Das heißt, wir erzeugen aus der reinen Energie neue Teilchen, wir erschaffen Materie aus der Energie, die vorher noch nicht da war.

W.R. : Wieso geht die Wissenschaft davon aus, dass es vergleichbare Zustände sein könnten, die eben dabei entstehen, wie zum Zeitpunkt des Urknalls? Also als unser Universum entstanden ist, nach dieser Theorie?

M.H. : Ja, das Universum war ja nicht so, nicht immer so wie es jetzt ist. Das Universum war früher viel kleiner. Wir wissen, das Universum dehnt sich aus. Es dehnt sich aus seit etwa 13.5 Milliarden Jahren. Und vor 13.5 Milliarden Jahren war das Universum sehr viel kleiner und auch sehr viel heißer und sehr viel dichter. Die Energiedichte war einfach sehr, sehr viel größer. Und diese Energiedichte, die jetzt kurz nach dem Urknall entstand, die wollen wir versuchen, hier im Labor nachzuvollziehen. Mit dem LHC.

W.B. : Man ist ja eigentlich auf der Suche nach der Masse im Universum, die wir als dunkle Materie bezeichnen, die etwa 80% des Universums ausmacht. Und dieses Masseteilchen, dieses hypothetische, ist ja postuliert worden von Peter Higgs, einem Engländer, der noch lebt und danach sucht man eigentlich. Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass man jetzt ein Higgs-Boson findet?

M.H. : Also, die Sache mit dem Higgs-Boson und mit der dunklen Materie - das sind zwei verschiedene Dinge, die eigentlich erst mal nichts miteinander zu tun haben. Die wir aber beide gerne erforschen wollen. Das eine ist das Higgs-Boson, das hatten Sie schon erwähnt. Das wurde postuliert von einem britischen Physiker, schon in den 60er Jahren. Der hat sich eine Möglichkeit überlegt, wie man Elementarteilchen theoretisch Masse verleihen kann. Das klingt jetzt ein bisschen komisch, ja. Wir wissen, wir haben Masse, Elementarteilchen haben Masse, aber theoretisch in der Physik diese Eigenschaft zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Es gibt in der Physik ein sogenanntes Standardmodell der Elementarteilchen, wo wir die bekannten Elementarteilchen einteilen in Materieteilchen, in Kraftteilchen wo die Materieteilchen miteinander Wechsel wirken. Aber dieses ganze Theoriegebäude, was wir das Standardmodell nennen, kann alles wunderbar beschreiben, unsere ganze Welt, aber nur unter der Annahme, dass alle Teilchen masselos sind. Und wir wissen, das stimmt nicht. Wir haben Masse. Elementarteilchen haben Masse. Also es muss noch irgendeinen Zusatzmechanismus geben, und den hat sich eben der Herr Peter Higgs damals überlegt. Wie es möglich ist, diesen Teilchen, diesen Materieteilchen zum Beispiel Masse zu verleihen. Und das ist dieses ominöse Higgsteilchen. Was den Teilchen, unseren Standardteilchen, Masse verleiht.

W.B. : Es ist doch ein Mechanismus, der da beschrieben wird, dieser Higgsmechanismus, der als Feld da steht mit dem die Materieteilchen Wechsel wirken und umso stärker die Wechselwirkung ist, umso stärker ist die Masse. M.H. : Genau.

Ja.

W.B. : Wie passt jetzt das Boson als massegebendes Teilchen in dieses überall vorhandene Feld in dieser Theorie?

M.H. : Also rein physikalisch gesehen von der Theorie her, müßten diese Higgsteilchen die Eigenschaften haben eines, ja eines sogenannten Bosons. Das heißt eines Teilchens, was keinen Drehimpuls hat. Das ist, üblicherweise ist es so, dass Elementarteilchen einen Drehimpuls haben. Die drehen sich um sich selber, kann man sich zumindest so vorstellen. Materieteilchen drehen sich weniger schnell als zum Beispiel Kraftteilchen. Kraftteilchen drehen sich praktisch mit einem spin von eins, wie wir nennen. Eins in gewissen Einheiten von h quer. Materieteilchen drehen sich halb so schnell. Haben einen halbzahligen Spin. Higgsteilchen haben jetzt gar keinen Spin, null, und diese Teilchen, die einen geradzahligen Spin haben, nämlich eins oder null, werden als Boson bezeichnet. Und nur ein Teilchen, was ein Boson ist, kann auf diese Weise wechselwirken. Man stellt sich das so vor, dass das ganze Universum erfüllt ist mit diesem Higgsfeld. Man kann, wie Sie vielleicht wissen, in der Teilchenphysik können wir sowohl mit Teilchen als auch mit Feldern umgehen. Das heißt, es gibt gewisse Eigenschaften von Teilchen, die wie Felder sich manifestieren und andere dann, die sich wie Teilchen manifestieren.

W.R. : Je nach Betrachtungsweise.

M.H. : Je nach Betrachtungsweise, ja. Das heißt, wir stellen uns vor, das Universum ist erfüllt mit einem Higgsfeld zunächst einmal und wenn ein Teilchen, ein nacktes Materieteilchen, sag ich einmal, mit keiner Masse mit jetzt durch dieses Feld sich hindurch bewegt, dann wird permanent, Wechsel wirkt es permanent mit diesem Feld. Wird gemein, wird sozusagen träge wenn es sich durch dieses Feld durch bewegt und wenn es träge wird, dann sieht das so von außen so aus als ob es Masse hätte. Und manche Teilchen wechselwirken stark mit dem Feld, sind sehr träge, haben viel Masse. Manche anderen Teilchen wechselwirken sehr schwach mit dem Feld, mit dem Higgsfeld und haben dementsprechend wenig Trägheit und wenig Masse. So stellen wir uns das ungefähr vor.

W.B. : Und glauben Sie denn, dass es wirklich, dass das Boson ohne, ohne Bewegung ist? Dass es statisch ist? Denn es ist doch eigentlich alles in Bewegung.

M.H. : Ja, Felder sind nicht in Bewegung. Aber was das machen was das Feld kann auch noch etwas anderes machen. Das Feld kann sich spontan zusammenziehen und diese spontane Zusammenziehung, die würden wir als Higgsteilchen dann sehen.

W.R. : Diese Higgs...

M.H. : Das ist sozusagen der Unterschied.

W.R. : Herr Hauschild, diese Higgsteilchen, wenn Sie denn nun so etwas finden, damit wäre ja diese Theorie letztendlich bewiesen. Aber was geschieht, wenn Sie die nicht finden? Ist das nicht viel interessanter?

M.H. : Das ist eigentlich viel interessanter, ja. Weil, eigentlich jagen wir dieses Higgsteilchen schon seit 40 Jahren. Also seit Peter Higgs diese Theorie und diesen Mechanismus sich erdacht hat, wie kann man Teilchen Masse geben, versuchen wir, mit verschiedensten Beschleunigern seitdem dieses Higgsteilchen zu finden und waren leider bisher nicht erfolgreich. Wir haben aber Hinweise, in welchem Bereich, in welchem Massebereich dieses Higgsteilchen liegen muss. Denn auch das Higgsteilchen selber hat wieder Masse. Es erzeugt sozusagen seine eigene Masse, wenn man so will. Das heißt, wir haben Hinweise, in welchem Massebereich es liegen müßte und die bisherigen Beschleuniger waren einfach zu schwach, um diese Masse zu erzeugen. Denn, ich hatte ja erwähnt, dass die Masse, die Masse der neuen Elementarteilchen, auch des Higgsteilchens, muss aus der reinen Energie der Kollision erst mal erschaffen werden. Und wenn die Kollisionsenergie zu schwach ist, dann schaffen wir auch das Higgsteilchen nicht.

W.B. : Und wenn Sie jetzt ein Higgsteilchen finden würden oder auch nicht finden würden, wäre dann der ganze LHC überflüssig oder macht man da noch andere Versuche mit?

M.H. : Ja, man macht noch andere Dinge. Vielleicht erst mal noch: Was passiert, wenn wir das Higgsteilchen finden. Naja, dann würden natürlich alle sagen, o prima, haben wir aber eigentlich schon immer gewusst. Natürlich fängt dann die eigentliche Arbeit an. Wir müssten herausfinden, welche Eigenschaften hat das Higgsteilchen, stimmt es mit der Vorhersage überein? Also da gibt's dann noch einen ganze Latte an Arbeit, die dahinter steckt, ne. Spannend wird's, wenn wir das Higgsteilchen nicht finden. Denn, ich hatte vorhin von diesem Vorhersagebereich erzählt. Wir wissen, dass wenn es das Higgsteilchen gibt, müssen wir es beim LHC finden. Da gibt's kein zurück. Also der LHC ist stark genug, um das Higgsteilchen zu erzeugen. Wenn's denn existiert. Wenn's nicht existiert, dann müssen sich viele, viele Theoretiker am Kopf kratzen und sich überlegen, oh, offensichtlich ist die Welt noch viel komplizierter als wir dachten. Und müssen sich einen Mechanismus überlegen, der ohne Higgsteilchen funktioniert, wie die Welt aufgebaut ist. Und dann fängts eigentlich richtig an, spannend zu werden, ne.

W.B. : Ja.

Das wünschen Sie sich, ne? Dass Sie es nicht finden.

M.H. : Naja, also kommt darauf an. Einige wünschen es sich und andere nicht. Was wir uns aber auch wünschen ist, außer dem Higgsteilchen, da komme ich jetzt auf Ihre ursprüngliche Frage zurück, nämlich die dunkle Materie im Weltraum. Wir möchten außer dem Higgsteilchen noch etwas anderes finden. Denn, Sie sagten schon, das Universum besteht aus dunkler Materie. Das hat sich eigentlich erst in den letzten Jahren so gezeigt, dass das Universum nicht aus dem besteht, was wir so denken, nicht nur. Also es gibt Sterne, es gibt Planeten, es gibt ?, es gibt Galaxien. Das alles können wir sehen. Wir können das mit Teleskopen sehen. Es hat sich aber gezeigt, dass der gesamte Energie- und Masseinhalt des Universums nur etwa zu vier bis fünf Prozent aus dieser leuchtenden Materie, sichtbaren Materie besteht. Und ein weiterer großer Teil, nämlich etwa ein viertel, 25% etwa, besteht aus etwas, was wir nicht sehen. Was aber eine Auswirkung hat auf die Bewegungen der sichtbaren Materie. Das heißt...

W.R. : Es hat Masse.

M.H. : Das heißt, es hat Masse. Die Bewegungen der Sterne zum Beispiel um das Zentrum der Milchstraße oder um das Zentrum jeder anderen Galaxie, können wir nur erklären, wenn wir annehmen, dass die Milchstraße zum Beispiel oder andere Galaxie zehnmal mehr Masse haben, als das, was wir eigentlich sehen. Nun sehen wir die Masse nicht, aber die ist eben da. Und deswegen nennen wir sie "dunkle Materie". W.B. : Die Erde und den Mond würde man ja auf der anderen Seite auch nicht sehen. Weil wir eben beide dunkel sind. Die sind aber als Masse da.

M.H. : Sie werden aber angeleuchtet, ja.

W.B. : Aha.

W.R. : Und dann sieht man das. Es gibt ja noch eine weitere Sache, die möglicherweise etwas heller werden würde und zwar die ungleiche Verteilung von Materie und Antimaterie. Auch da hilft ja das LHC mit.

M.H. : Auch da hilft das LHC mit. Ja.

Wir haben am LHC vier Experimente. Vier Teilchendetektoren. Zwei davon sind eigentlich. ich sag mal spezialisiert. auf Higgssuche und Suche nach dunkler Materie, ein drittes Experiment konzentriert sich genau auf den, auf die Sache mit der Antimaterie. Denn beim, beim Urknall sollte eigentlich Materie und Antimaterie zu gleichen Anteilen entstanden worden sein, oder entstanden sein und jetzt wissen wir, dass Materie und Antimaterie sich gegenseitig vernichten. Das wissen wir, das können wir hier bei Experimenten auf der Erde sehen.

W.R. : Sie zerstrahlen wieder zu Energie.

M.H. : Und dann zerstrahlen sie wieder zu Energie, reiner Energie. Aber eigentlich sollten die vielleicht entstanden sein zu gleichen Mengen, sollten aber mittlerweile schon längst zerstrahlt sein zu reiner Energie und es gäbe keine Materie mehr. Und auch keine Antimaterie.

W.R. : Aber wir sind ja noch da.

M.H. : Aber wir sind noch da. Also das ist ein gewisses Problem. Nicht für uns natürlich, ja. Aber für die Theorie, ja. Also es muss irgendeinen, wenn auch kleinen, Unterschied zwischen Materie und Antimaterie geben. So dass die sich nicht wieder komplett wieder zerstrahlt haben zu reiner Energie, sondern es muss irgendwie ein Anteil an Materie übriggeblieben sein. Also...

W.B. : Und das hat der Einstein noch nicht postuliert?

M.H. : Einstein wusste noch nichts von Materie und Antimaterie. Also nicht zu Zeiten als er die Relativitätstheorie entwickelt hat. Das kam erst in den 30er Jahren, ne.

W.R. : Wie lange Zeit schätzen Sie, bis Sie Ergebnisse haben, ob Sie sagen können, gibt es nun das Higgs-Boson oder gibt es das Higg'sche Boson nicht? M.H. : Das hängt natürlich davon ab, wie gut der Beschleuniger jetzt laufen wird. Denn wir müssen eine ganze Weile messen, Wir rechnen damit, dass wir so in ein bis zwei Jahren die ersten Ergebnisse präsentieren können. Dieses Jahr wird es erst mal so sein, dass wir überhaupt mal sehen müssen, wie der Beschleuniger, wie gut der funktioniert. Wir müssen den halt sozusagen in Betrieb nehmen. Es ist ein langwieriger Prozess. Auch die Teilchendetektoren müssen in Betrieb genommen werden. Auch das sind alles Unikate. Praktisch alles ist sozusagen sein eigener Prototyp an Gerätschaften, was wir hier haben. Nichts ist Serie, nichts ist Massenproduktion. Und wir müssen das alles erst mal verstehen. Also dieses Jahr werden wir sicher noch keine Ergebnisse kriegen. Das ist, das ist klar. Ab nächstes Jahr soll dann sozusagen der richtige Produktionsbetrieb losgehen. Aber wir werden sicher ein bis zwei Jahre brauchen, bis wir mit Sicherheit sagen können, da war jetzt zum Beispiel ein Higgs-Teilchen, ja. Denn die Sache ist so, diese Higgsteilchen, die können wir jetzt zwar hier produzieren, aber dummerweise ist es so, dass die nur sehr selten produziert werden und praktisch von vielen, vielen Millionen, Milliarden Kollisionen, die hier entstehen, da passiert meistens nichts, nichts interessantes was uns interessiert. Und nur ein mal entsteht vielleicht ein Higgsteilchen. Das müssen wir irgendwo rausfiltern.

W.R. : Gibt es denn eine Vorstellung, wie lange ein solches Higgsteilchen, wenn es nun entstanden ist, lebt bis es wieder weg ist?

M.H. : Ja.

Dieses Higgsteilchen ist leider sehr instabil. Das heißt, kaum dass wir es produziert haben, am Kollisionspunkt aus der reinen Energie, verfällt es auch schon wieder. Das heißt, es wird nie der Fall sein, dass dieses Higgsteilchen jetzt durch den Detektor durchrauscht und wir können das Higgsteilchen direkt mit unseren Detektoren messen. Das ist leider nicht der Fall. Schön wär's. W.B. : Sie haben ja eine Zahl genannt und zwar 20 Millionen soll der Strom kosten im Jahr.

M.H. : Ja.

W.B. : Millionen Euro. Das klingt ja vergleichsweise wenig eigentlich bei diesen Riesendingern da.

M.H. : Ja, das ist gar nicht mal so viel, vergleichsweise. Und zwar einfach deswegen, weil wir haben ja supraleitende Magnete, und das heißt, die ganzen Stromkosten gehen im wesentlichen drauf für die Kühlung der, der Magnete. Das das das, da brauchen wir Strom natürlich.

W.R. : Also bei so..

M.H. : Aber wir brauchen eigentlich relativ wenig Energie um die Magnete wirklich unter Strom zu setzen und zu betreiben. Ja.

W.R. : Also bei Supraleitern ist das so, dass sie ihren ionischen Widerstand verlieren und keine Verlustleistung haben und deswegen braucht man weniger Strom.

M.H. : Genau so ist es, ja. Also wenn wir das ganze, den ganzen LHC mit Elektromagneten bauen, gebaut hätten, dann würden wir wahrscheinlich viele Gigawatt an Strom brauchen und die ganzen Gigawatts müssen dann wieder gekühlt, die Wärme muss wieder abgekühlt werden, abgeführt werden und das heißt, das wäre also praktisch gar nicht möglich.

W.R. : Und hier muss man's nur kühlen, um den supraleitenden Zustand zu erreichen. W.B. : Eine ganz kurze Frage. Wenn man solche Versuche macht, kann man da eigentlich noch an die Schöpfung glauben? Ganz kurze Antwort.

M.H. : Man kann, ja das kommt drauf an. Also sagen wir mal so, was wir versuchen hier als Physiker ist, rauszukriegen, was passiert nach dem Urknall. Wie der Urknall entstand, und warum, das ist eine andere Frage.

W.B. : Okay.

W.R. : Dr. Michael Hauschild von CERN, das was Sie uns hier in der letzten halben Stunde erzählt haben, war einfach sagenhaft. Auch wie Sie es gesagt haben.

W.B. : Endlich mal was vernünftiges.

W.R. : Klar und verständlich. Ganz herzlichen Dank. Grüssen Sie alle Kollegen. Wir drücken die Daumen. Egal...

W.B. : Und nach oben.

W.R. : Und egal was Sie finden und wir verabschieden uns mit unserem Spruch: Immer ebüb.

W.B. : Ebüb.

M.H. : Wiedersehen.

W.B. : Tschüss.

M.H. : Tschüss.

[Erkennungsmelodie] Das war Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph. Technik: Manfred Kloiber und Arne Wohlgemut Produktion: Anja Arp Eine Internet-Sendung der VoxMundi Medienanstalt Köln 2008

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Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph

[Erkennungsmelodie]


W.B.:    Herzlich willkommen, liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer.Wir sind heute mit der 127. Folge CC2 beschäftigt. Und wir haben ganz spontan entschlossen, obwohl es nicht so geplant war, wir machen heute, weil das Thema so toll ist, eine ganze halbe Stunde daraus. Das heißt, nur ein einziges Thema, Wolfgang. Und du willst wahrscheinlich auch die Zuhörer begrüssen.

W.R.:    Selbstverständlich. Auch ich begrüße alle Zuhörerinnen und alle Zuhörer ganz herzlich von meiner Seite. Und, ja, das Thema, um das es heute geht, das ist CERN. Das ist also dieses LHC, diese neue 27 oder knapp 27 Kilometer lange Röhre, in der dann Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Und wenn sie dann schnell genug sind, auf einander treffen sollen. Aber, im Vorfeld dazu, es hat ja eine ganze Menge Pressewirbel gegeben. Und ich habe immer da gesessen und hab gesagt, gedacht, das ist die gleiche Qualität, die wir beim Rinderwahn hatten, die wir bei der Vogelseuche hatten, die wir bei Jahr 2000 Problem hatten. Es gibt immer irgendwelche Leute, die ein Weltuntergangsscenario herbei reden wollen. Obwohl die 5000 Wissenschaftler, die beim CERN damit befasst sind, die haben keine Angst, dass ein schwarzes Loch unsere Erde auffrisst.

W.B.:    Aber es gab da doch jemand, der hat sogar eine einstweilige Verfügung versucht, zu kriegen, Ein sogenannter Wissenschaftler, Psychologe war das glaube ich, und ist allerdings abgeschmettert mit, mit seiner einstweiligen Verfügung. Zunächst begrüßen wir aber mal den Michael Hauschild, Dr. Michael Hauschild. Er ist Teilchenphysiker am CERN. Mit dem wollen wir die halbe Stunde gemeinsam verbringen. Erst mal, herzlich willkommen bei uns in der Sendung, Herr Hauschild.

M.H.:    Ja, schönen guten Tag.

W.B.:    Ich war in einer Situation, da flog ich ganz schnell nach CERN um den Herrn Fleischmann zu treffen, der damals mit einer kalten Fusion die Welt verrückt gemacht hat. Können Sie sich noch daran entsinnen?

M.H.:    Ja, ich kann mich noch dran entsinnen. Das ist aber schon ein paar Jährchen her.

W.B.:    Ja. Ja, ja.

M.H.:    Und ich weiß auch noch, dass hier sogar das ein bisschen ernst genommen worden ist. Man wusste ja damals nicht ganz genau, was soll man davon halten. Und es gab tatsächlich hier auch ein kleines Team, das hat versucht, das hier nachzuvollziehen. Aber, wie das auch bei anderen so war, alle sind daran gescheitert, weil es sich tatsächlich also nicht realisieren lässt.

W.B.:    Mich hat vor allen Dingen gewundert, dieser Herr Fleischmann, ich habe neben ihm gesessen, da hat er seinen Koffer aufgemacht, und in dem Koffer waren zwei Toilettenpapierrollen drin. Das war alles das, was er dabei hatte. Hat mich sehr gewundert. 

M.H.:    Ja, vielleicht hatten wir hier das falsche Toilettenpapier. Deswegen hat das nicht funktioniert.

W.B.:    Ja. Gut. Jetzt aber, Wolfgang, zu dem Versuch, der in CERN stattfindet. Also in Genf stattfindet.

W.R.:    Nein, nein. Ich möchte vorher noch mal ganz kurz den Leuten, die uns zuhören, verständlich machen, oder zumindest nur versuchen verständlich zu machen, dass es eigentlich gar keine Gefahr geben kann. Man sollte sich mal folgendes vorstellen: Unsere Sonne, wenn die plötzlich kollabiert und zum schwarzen Loch würde, was sie gar nicht kann...

W.B.:    Warum nicht?

W.R.:    Weil die Masse reicht nicht aus dafür und die Energie reicht nicht aus dafür. Aber wenn es dennoch so wäre, was würde sich dann ändern für die Erde? Mal abgesehen davon, dass es dunkel und kalt würde. Würde die Erde dann in die Sonne stürzen?

M.H.:    Die Erde würde sich, würde nicht in die Sonne stürzen.

W.R.:    Genau.

M.H.:    Die Schwerkraft ist genau die selbe wie vorher auch.

W.B.:    Ja.

M.H.:    Es wäre halt dunkel. Das ist richtig. Also die Erde würde erkalten. Aber ansonsten würde sich nichts ändern.

W.R.:    Genau. So. Und wenn man sich jetzt vorstellt, welche ungeheuere Energie und Masse doch in unserer Sonne steckt, dann kann man sich  vorstellen, dass man diese Energie auch in CERN nicht erzeugen kann. Und dass man ein schwarzes Loch überhaupt nicht in dieser Größenordnung erzeugen kann, dass irgendetwas derartiges passiert, dass dieses schwarze Loch unsere Erde plötzlich auffrisst und vernichtet.

W.B.:    Nun gibt es aber wohl schwarze Löcher. Zumindest in der Wissenschaft. Herr Hauschild, können Sie mal kurz erklären, für unsere Zuhörer, was ist ein schwarzes Loch und wie kann es entstehen?

M.H.:    Ja, ein schwarzes Loch, so wie wir das landläufig verstehen,ist etwas, was im Universum vermutlich vorkommt. Ein direkter Nachweis meines Wissens gab es noch nicht, sondern immer nur indirekt. Was passieren kann ist, dass wenn eine, ein Stern von einer Größe mehr als die Sonne, größer als die Sonne, also zehn mal mehr Masse zum Beispiel, wenn der am Ende seines Fusionszyklus angekommen ist und praktisch keine innere Kraft mehr wirkt, kein Druck von innen, der den Gasball praktisch so hält wie er jetzt ist

W.R.:    Aufbläst dann.
M.H.:    Wenn es also keine innere Kraft mehr gibt, der Fusionszyklus ist beendet, dann fällt dieser Stern in sich zusammen, wird immer dichter und es gibt praktisch nichts, was diesen gravitionellen Zusammenfall, diesen Kollaps, aufhalten kann. Das heißt, die Materie wird dichter, dichter, dichter, dichter, dichter, schrumpft zusammen auf ganz kleine Dimensionen. Größenordnung nur Kilometer im Bereich von diesen Sternen und dann ist die Gravitation, die Schwerkraft an der Oberfläche und in der Nähe so hoch, dass noch nicht einmal das Licht aus diesem Bereich entkommen kann. Das Licht praktisch bleibt auf halbem Wege stehen. Und das heißt, wir sehen von diesem Objekt, von diesem sehr, sehr dichten Objekt, überhaupt nichts außen, sondern wir sehen nur Nichts. Schwärze. Und deswegen hat das sich, hat das den Namen "ein schwarzes Loch" bekommen.

W.R.:    Ob es das nun wirklich gibt ist auch noch nicht hundertprozentig geklärt. Denn es war noch keiner da, hat sich eins ansehen können. Ist ja auch schwerlich möglich, glaub ich, weil wenn man bestimmte Ereignishorizonte überwunden hat, kommt man sowieso nicht mehr zurück.

W.B.:    Ja, ja.

W.R.:    Nach der Theorie.

W.B.:    Wärst du auch mit drin im schwarzen Loch.

W.R.:    Naja, du würdest nichts mehr merken.

M.H.:    Es gibt schon einen indirekten Hinweis, das muss ich vielleicht schon sagen. Nämlich im Zentrum der Milchstraße, also unserer Galaxie, da wird ein schwarzes Loch vermutet. Mit mehreren Millionen Sonnenmassen und man kann das jetzt mit neuesten Infrarotteleskopen ganz gut beobachten. Nicht das schwarze Loch selber, aber die Auswirkungen, die Schwerkraft davon. Man sieht nämlich Sterne, die um das Zentrum herum sich bewegen und diese Bewegung kann man eigentlich nur erklären, wenn im Inneren ein Objekt ist, was wirklich einige Millionen Sonnenmassen hat. Also das ist ein indirekter Nachweis, aber gesehen hat's natürlich selber noch niemand.

W.B.:    Und diese Sterne werden dann auch verschwinden irgendwann, ne, wenn das tatsächlich ein schwarzes Loch ist?

M.H.:    Nicht unbedingt. Weil, es ist zwar eine sehr große Schwerkraft, aber die Sterne bewegen sich darum, wie zum Beispiel jetzt die Erde um die Sonne. Und auch die Erde stürzt ja iin Jahrmillionen nicht da rein. Also das wird also so schnell nicht passieren, nein.

W.B.:    Dieses LHC, wie könnte man das eigentlich beschreiben? Was ist das eigentlich?

M.H.:    Das ist eigentlich, gut, die größte Maschine der Welt, wenn man so will. Eine elektromagnetische Maschine. Also das ist nichts wo sich jetzt irgendwelche Kolben bewegen, eine Mechanik bewegt, die man sieht. Also kein Eektromotor in dem Sinne. Oder keine Dampfmaschine. Aber es ist eine elektromagnetische Maschine, in der kleinste Elementarteilchen, Protonen, die Kerne von Wasserstoffatomen, beschleunigt werden auf höchste Energien.
W.R.:    Das ist also ein etwa 27 Kilometer langer Ring, wo in bestimmten Abständen Magnetspulen sind, damit man diese Protonen in der Bahn halten kann und beschleunigen kann?

M.H.:    Ja, es gibt verschiedene Arten von Beschleunigern, von Teilchenbeschleunigern und dieser LHC gehört zu dem Typ der Kalbeschleuniger. Was man da macht ist, man hat, in unserem Fall in einem Tunnel von 27 Kilometer Umfang viele Magnete, superleitende Magnete. Also Magnete, die auf sehr kalte Temperatur gekühlt werden, 1,9 Kelvin nur. Das ist also nur 1.9 ° über dem absoluten Nullpunkt. Und mit superleitenden Magneten lassen sich sehr starke Magnetfelder erzeugen. 8,3 TEDS in unserem Fall. Das ist also etwa zwei bis dreimal so viel, wie in konventionellen Kernspintomographen wie sie zur medizinischen Diagnostik verwendet werden. Und diese Magnete haben nun die Aufgabe, die Protonen auf der Kreisbahn zu halten, nur auf der Kreisbahn zu halten. Das heißt, die Magnete sorgen nur dafür, dass die immer wieder um diese 27 km rumfliegen und an einer bestimmten Stelle - das sind nur etwa zehn Meter - da findet die eigentliche Beschleunigung statt. Nämlich über Mikrowellen, Hochfrequenz,  von etwa 800 Megahertz. Also etwas ähnliches, wie sie auch zuhause im Mikrowellenherd haben. Und an dieser Stelle - über zehn Meter ungefähr - werden die Protonen beschleunigt. Reiten praktisch auf einer elektromagnetischen Welle wie ein Wellenreiter. Werden vorangetrieben, werden beschleunigt. Dann hört die Beschleunigung auf, die Protonen werden über die starken Magnete herumgeführt über 27 km. Kommen wieder an die selbe Stelle zurück und kriegen wieder einen neuen Kick und das ganze dauert dann ungefähr zwanzig Minuten und dann ist man auf der höchsten Energie.

W.B.:    Dann ist er wie oft rumgesaust?

M.H.:    Also die Protonen laufen herum etwa zehntausend mal pro Sekunde.

W.B.:    Ui.

M.H.:    Und zwanzig Minuten, ja, das müßte ich jetzt auch selber ausrechnen aber jedenfalls oft.

W.B.:    60 mal 20 sind 1200 und 10 mal sind 12000.

W.R.:    Nur um mal so eine Größenordnung zu geben. Ein solcher Magnet ist mit seinem kompletten Gehäuse und seinem Standfuß und sowas. Einer der größten davon 12500 Tonnen schwer. Ich hab gedacht, das kann nicht sein. Aber ist wohl war.

M.H.:    Ja, da muss man unterscheiden, denn es gib den eigentlichen Beschleuniger und der besteht aus über Tausend Magneten, Ablenkmagneten, diese supraleitenden Magneten, von denen ich eben erzählt hatte, das wiegt, dieses gesamte Gebilde wiegt 40000 Tonnen. Das ist nochmal etwas mehr.

W.R.:    Ach du Gott.

M.H.:    Aber, wir haben ja... Wir verfolgen ja auch einen bestimmten Zweck mit den Teilchen, mit den beschleunigten Teilchen. Was wir machen möchten ist, und dazu dient das alles, wir möchten nicht nur ein Teilchen oder einige Teilchen in einer Richtung herumlaufen lassen, sondern auch einen zweiten Protonenstrahl in der entgegengesetzten Richtung. Und an vier Stellen entlang dieses 27 km langen Rings, bringen wir diese Protonenstrahlen zur Kollision. Und dort stellen wir große Teilchendetektoren hin, die aufzeichnen, was bei diesen Kollisionen passiert ist  und einer dieser Teilchendetektoren, den wir eben genannt hatten, besteht tatsächlich aus einem Magneten, der mit allem drum und dran, Eisen, was dazu gehört, 12500 Tonnen wiegt.

W.B.:    Gibt's aber keinen Kran für, nö?

M.H.:    Da gibt's keinen Kran für, für die 12500 Tonnen. Aber das wurde so gemacht, dass ganze, der ganze Stahldetektor ist unterirdisch, wie auch der ganze Tunnel, der LHC-Beschleuniger, etwa in 100 Meter Tiefe. Und dementsprechend sind auch die Teilchendetektoren in dieser Tiefe, in einer unterirdischen Kaserne. Die größten Kasernen sind 80 Meter lang und 40 Meter hoch und das ist aber schon eine richtige Kathedrale unter Tage.

W.B.:    Toll.

M.H.:     Und ja, wie bringt man jetzt da unten den Teilchendetektor rein? Also das muss ja, das geht durch Schächte. Aber die Schächte sind nicht groß genug, dass der komplette Detektor da runtergelassen werden kann. Und so einen großen Kran gibt's nicht, dass haben Sie ja schon bemerkt. Aber in diesem Fall, von dem 12500 Tonnen Detektor, wurde das so gemacht, dass dieser Detektor in, an der Oberfläche, in einer Halle an der Oberfläche in großen Teilen zusammengebaut worden ist. Das größte Teil wiegt etwas 2000 Tonnen. Und mit einem, tatsächlich mit einem Kran, einem stationären Kran, der aus der Schiffsbauindustrie kommt, aus der Werftindustrie, wurde dieses Teil, dieses 2000 Tonnen Teil und noch einige andere Teile in der Größenordnung, in der gleichen Größenordnung, heruntergelassen und unten dann zusammengesetzt.

W.R.:    Jetzt wollen Sie Protonen aufeinander prallen lassen. Warum?

M.H.:    Die Möglichkeit bei Protonen, wenn wir Protonen aufeinander treffen lassen, bei höchsten Energien, interessiert uns etwas, nämlich wir betreiben hier Grundlagenforschung. Grundlagenforschung - also nicht in dem Sinne Forschung wie zum Beispiel in der Industrie, wo ich jetzt hingehen möchte und zum Beispiel ein Produkt entwickle, was ich dann verkaufe. Unser Produkt hier bei der Grundlagenforschung ist Wissen. Also wir produzieren Wissen. Und um das Wissen zu produzieren, müssen wir diese Protonen zusammentreffen lassen bei höchsten Energien. Weil die Hoffnung ist, dass wir dann neue Elementarteilchen produzieren können...

W.B.:    Also erstmal entsteht ja...

M.H.:    ...die wir bisher noch nicht produzieren konnten.

W.R.:    Ja, erst mal entsteht natürlich Energie. Und aus dieser Energie dann wieder diese Elementarteilchen?

M.H.:    So ist es. Ja. Also man darf sich das nicht so vorstellen, wie manche Leute jetzt so vielleicht sich denken würden, das ist etwas wie ein Atomzertrümmerer den wir hier betreiben. Das ist es nicht. Es ist nicht so, dass wir hier ein Atom beschießen und dann zertrümmern wir es und dann gucken wir nach Splittern und da ist jetzt vielleicht irgendwas dabei, was uns interessiert. So passiert es nicht. Obwohl sehr häufig das Bild eines Atomzertrümmerers auch in der englischsprachigen Literatur verwendet wird. Was wir machen, ist, wir lassen die Protonen kollidieren und diese Kollisionsenergie, die reine Energie der Kollision, wird umgewandelt in Materie, in Masse von neuen Teilchen. Das entspricht praktisch genau Einsteins berühmter Gleichung: E=mc2. Also wir stecken E auf der einen Seite rein, Energie, und auf der anderen Seite kommt m, die Materie, raus. Das heißt, wir erzeugen aus der reinen Energie neue Teilchen, wir erschaffen Materie aus der Energie, die vorher noch nicht da war.

W.R.:    Wieso geht die Wissenschaft davon aus, dass es vergleichbare Zustände sein könnten, die eben dabei entstehen, wie zum Zeitpunkt des Urknalls? Also als unser Universum entstanden ist, nach dieser Theorie?

M.H.:    Ja, das Universum war ja nicht so, nicht immer so wie es jetzt ist. Das Universum war früher viel kleiner. Wir wissen, das Universum dehnt sich aus. Es dehnt sich aus seit etwa 13.5 Milliarden Jahren. Und vor 13.5 Milliarden Jahren war das Universum sehr viel kleiner und auch sehr viel heißer und sehr viel dichter. Die Energiedichte war einfach sehr, sehr viel größer. Und diese Energiedichte, die jetzt kurz nach dem Urknall entstand, die wollen wir versuchen,  hier im Labor nachzuvollziehen. Mit dem LHC.

W.B.:    Man ist ja eigentlich auf der Suche nach der Masse im Universum, die wir als dunkle Materie bezeichnen, die etwa 80% des Universums ausmacht. Und dieses Masseteilchen, dieses hypothetische, ist ja postuliert worden von Peter Higgs, einem Engländer, der noch lebt und danach sucht man eigentlich. Wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass man jetzt ein Higgs-Boson findet?

M.H.:    Also, die Sache mit dem Higgs-Boson und mit der dunklen Materie - das sind zwei verschiedene Dinge, die eigentlich erst mal nichts miteinander zu tun haben. Die wir aber beide gerne erforschen wollen. Das eine ist das Higgs-Boson, das hatten Sie schon erwähnt. Das wurde postuliert von einem britischen Physiker, schon in den 60er Jahren. Der hat sich eine Möglichkeit überlegt, wie man Elementarteilchen theoretisch Masse verleihen kann. Das klingt jetzt ein bisschen komisch, ja. Wir wissen, wir haben Masse, Elementarteilchen haben Masse, aber theoretisch in der Physik diese Eigenschaft zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Es gibt in der Physik ein sogenanntes Standardmodell der Elementarteilchen, wo wir die bekannten Elementarteilchen einteilen in Materieteilchen, in Kraftteilchen wo die Materieteilchen miteinander Wechsel wirken. Aber dieses ganze Theoriegebäude, was wir das Standardmodell nennen, kann alles wunderbar beschreiben, unsere ganze Welt, aber nur unter der Annahme, dass alle Teilchen masselos sind. Und wir wissen, das stimmt nicht. Wir haben Masse. Elementarteilchen haben Masse. Also es muss noch irgendeinen Zusatzmechanismus geben, und den hat sich eben der Herr Peter Higgs damals überlegt. Wie es möglich ist, diesen Teilchen, diesen Materieteilchen zum Beispiel Masse zu verleihen. Und das ist dieses ominöse Higgsteilchen. Was den Teilchen, unseren Standardteilchen, Masse verleiht.

W.B.:    Es ist doch ein Mechanismus, der da beschrieben wird, dieser Higgsmechanismus, der als Feld da steht mit dem die Materieteilchen Wechsel wirken und umso stärker die Wechselwirkung ist, umso stärker ist die Masse.
M.H.:    Genau. Ja.

W.B.:    Wie passt jetzt das Boson als massegebendes Teilchen in dieses überall vorhandene Feld in dieser Theorie?

M.H.:    Also rein physikalisch gesehen von der Theorie her, müßten diese Higgsteilchen die Eigenschaften haben eines, ja eines sogenannten Bosons. Das heißt eines Teilchens, was keinen Drehimpuls hat. Das ist, üblicherweise ist es so, dass Elementarteilchen einen Drehimpuls haben. Die drehen sich um sich selber, kann man sich zumindest so vorstellen. Materieteilchen drehen sich weniger schnell als zum Beispiel Kraftteilchen. Kraftteilchen drehen sich praktisch mit einem spin von eins, wie wir nennen. Eins in gewissen Einheiten von h quer. Materieteilchen drehen sich halb so schnell. Haben einen halbzahligen Spin. Higgsteilchen haben jetzt gar keinen Spin, null, und diese Teilchen, die einen geradzahligen Spin haben, nämlich eins oder null, werden als Boson bezeichnet. Und nur ein Teilchen, was ein Boson ist, kann auf diese Weise wechselwirken. Man stellt sich das so vor, dass das ganze Universum erfüllt ist mit diesem Higgsfeld. Man kann, wie Sie vielleicht wissen, in der Teilchenphysik können wir sowohl mit Teilchen als auch mit Feldern umgehen. Das heißt, es gibt gewisse Eigenschaften von Teilchen, die wie Felder sich manifestieren und andere dann, die sich wie Teilchen manifestieren.

W.R.:    Je nach Betrachtungsweise.

M.H.:    Je nach Betrachtungsweise, ja. Das heißt, wir stellen uns vor, das Universum ist erfüllt mit einem Higgsfeld zunächst einmal und wenn ein Teilchen, ein nacktes Materieteilchen, sag ich einmal, mit keiner Masse mit jetzt durch dieses Feld sich hindurch bewegt, dann wird permanent, Wechsel wirkt es permanent mit diesem Feld. Wird gemein, wird sozusagen träge wenn es sich durch dieses Feld durch bewegt und wenn es träge wird, dann sieht das so von außen so aus als ob es Masse hätte. Und manche Teilchen wechselwirken stark mit dem Feld, sind sehr träge, haben viel Masse. Manche anderen Teilchen wechselwirken sehr schwach mit dem Feld, mit dem Higgsfeld und haben dementsprechend wenig Trägheit und wenig Masse. So stellen wir uns das ungefähr vor.

W.B.:    Und glauben Sie denn, dass es wirklich, dass das Boson ohne, ohne Bewegung ist? Dass es statisch ist? Denn es ist doch eigentlich alles in Bewegung.

M.H.:    Ja, Felder sind nicht in Bewegung. Aber was das machen was das Feld kann auch noch etwas anderes machen. Das Feld kann sich spontan zusammenziehen und diese spontane Zusammenziehung, die würden wir als Higgsteilchen dann sehen.

W.R.:    Diese Higgs...

M.H.:    Das ist sozusagen der Unterschied.

W.R.:    Herr Hauschild, diese Higgsteilchen, wenn Sie denn nun so etwas finden, damit wäre ja diese Theorie letztendlich bewiesen. Aber was geschieht, wenn Sie die nicht finden? Ist das nicht viel interessanter?

M.H.:    Das ist eigentlich viel interessanter, ja. Weil, eigentlich jagen wir dieses Higgsteilchen schon seit 40 Jahren. Also seit Peter Higgs diese Theorie und diesen Mechanismus sich erdacht hat, wie kann man Teilchen Masse geben, versuchen wir, mit verschiedensten Beschleunigern seitdem dieses Higgsteilchen zu finden und waren leider bisher nicht erfolgreich. Wir haben aber Hinweise, in welchem Bereich, in welchem Massebereich dieses Higgsteilchen liegen muss. Denn auch das Higgsteilchen selber hat wieder Masse. Es erzeugt sozusagen seine eigene Masse, wenn man so will. Das heißt, wir haben Hinweise, in welchem Massebereich es liegen müßte und die bisherigen Beschleuniger waren einfach zu schwach, um diese Masse zu erzeugen. Denn, ich hatte ja erwähnt, dass die Masse, die Masse der neuen Elementarteilchen, auch des Higgsteilchens, muss aus der reinen Energie der Kollision erst mal erschaffen werden. Und wenn die Kollisionsenergie zu schwach ist, dann schaffen wir auch das Higgsteilchen nicht.  

W.B.:    Und wenn Sie jetzt ein Higgsteilchen finden würden oder auch nicht finden würden, wäre dann der ganze LHC überflüssig oder macht man da noch andere Versuche mit?

M.H.:    Ja, man macht noch andere Dinge. Vielleicht erst mal noch: Was passiert, wenn wir das Higgsteilchen finden. Naja, dann würden natürlich alle sagen, o prima, haben wir aber eigentlich schon immer gewusst. Natürlich fängt dann die eigentliche Arbeit an. Wir müssten herausfinden, welche Eigenschaften hat das Higgsteilchen, stimmt es mit der Vorhersage überein? Also da gibt's dann noch einen ganze Latte an Arbeit, die dahinter steckt, ne. Spannend wird's, wenn wir das Higgsteilchen nicht finden. Denn, ich hatte vorhin von diesem Vorhersagebereich erzählt. Wir wissen, dass wenn es das Higgsteilchen gibt, müssen wir es beim LHC finden. Da gibt's kein zurück. Also der LHC ist stark genug, um das Higgsteilchen zu erzeugen. Wenn's denn existiert. Wenn's nicht existiert, dann müssen sich viele, viele Theoretiker am Kopf kratzen und sich überlegen, oh, offensichtlich ist die Welt noch viel komplizierter als wir dachten. Und müssen sich einen Mechanismus überlegen, der ohne Higgsteilchen funktioniert, wie die Welt aufgebaut ist. Und dann fängts eigentlich richtig an, spannend zu werden, ne.

W.B.:    Ja. Das wünschen Sie sich, ne? Dass Sie es nicht finden.

M.H.:    Naja, also kommt darauf an. Einige wünschen es sich und andere nicht. Was wir uns aber auch wünschen ist, außer dem Higgsteilchen, da komme ich jetzt auf Ihre ursprüngliche Frage zurück, nämlich die dunkle Materie im Weltraum. Wir möchten außer dem Higgsteilchen noch etwas anderes finden. Denn, Sie sagten schon, das Universum besteht aus dunkler Materie. Das hat sich eigentlich erst in den letzten Jahren so gezeigt, dass das Universum nicht aus dem besteht, was wir so denken, nicht nur. Also es gibt Sterne, es gibt Planeten, es gibt ?, es gibt Galaxien. Das alles können wir sehen. Wir können das mit Teleskopen sehen. Es hat sich aber gezeigt, dass der gesamte Energie- und Masseinhalt des Universums nur etwa zu vier bis fünf Prozent aus dieser leuchtenden Materie, sichtbaren Materie besteht. Und ein weiterer großer Teil, nämlich etwa ein viertel, 25% etwa, besteht aus etwas, was wir nicht sehen. Was aber eine Auswirkung hat auf die Bewegungen der sichtbaren Materie. Das heißt...

W.R.:    Es hat Masse.

M.H.:    Das heißt, es hat Masse. Die Bewegungen der Sterne zum Beispiel um das Zentrum der Milchstraße oder um das Zentrum jeder anderen Galaxie, können wir nur erklären, wenn wir annehmen, dass die Milchstraße zum Beispiel oder andere Galaxie zehnmal mehr Masse haben, als das, was wir eigentlich sehen. Nun sehen wir die Masse nicht, aber die ist eben da. Und deswegen nennen wir sie "dunkle Materie".

W.B.:    Die Erde und den Mond würde man ja auf der anderen Seite auch nicht sehen. Weil wir eben beide dunkel sind. Die sind aber als Masse da.

M.H.:    Sie werden aber angeleuchtet, ja.

W.B.:    Aha.

W.R.:    Und dann sieht man das. Es gibt ja noch eine weitere Sache, die möglicherweise etwas heller werden würde und zwar die ungleiche Verteilung von Materie und Antimaterie. Auch da hilft ja das LHC mit.

M.H.:    Auch da hilft das LHC mit. Ja. Wir haben am LHC vier Experimente. Vier Teilchendetektoren. Zwei davon sind eigentlich. ich sag mal spezialisiert. auf Higgssuche und Suche nach dunkler Materie, ein drittes Experiment konzentriert sich genau auf den, auf die Sache mit der Antimaterie. Denn beim, beim Urknall sollte eigentlich Materie und Antimaterie zu gleichen Anteilen entstanden worden sein, oder entstanden sein und jetzt wissen wir, dass Materie und Antimaterie sich gegenseitig vernichten. Das wissen wir, das können wir hier bei Experimenten auf der Erde sehen.

W.R.:    Sie zerstrahlen wieder zu Energie.

M.H.:    Und dann zerstrahlen sie wieder zu Energie, reiner Energie. Aber eigentlich sollten die vielleicht entstanden sein zu gleichen Mengen, sollten aber mittlerweile schon längst zerstrahlt sein zu reiner Energie und es gäbe keine Materie mehr. Und auch keine Antimaterie.

W.R.:    Aber wir sind ja noch da.

M.H.:    Aber wir sind noch da. Also das ist ein gewisses Problem. Nicht für uns natürlich, ja. Aber für die Theorie, ja. Also es muss irgendeinen, wenn auch kleinen, Unterschied zwischen Materie und Antimaterie geben. So dass die sich nicht wieder komplett wieder zerstrahlt haben zu reiner Energie, sondern es muss irgendwie ein Anteil an Materie übriggeblieben sein. Also...

W.B.:    Und das hat der Einstein noch nicht postuliert?

M.H.:    Einstein wusste noch nichts von Materie und Antimaterie. Also nicht zu Zeiten als er die Relativitätstheorie entwickelt hat. Das kam erst in den 30er Jahren, ne.

W.R.:    Wie lange Zeit schätzen Sie, bis Sie Ergebnisse haben, ob Sie sagen können, gibt es nun das Higgs-Boson oder gibt es das Higg'sche Boson nicht?

M.H.:    Das hängt natürlich davon ab, wie gut der Beschleuniger jetzt laufen wird. Denn wir müssen eine ganze Weile messen, Wir rechnen damit, dass wir so in ein bis zwei Jahren die ersten Ergebnisse präsentieren können. Dieses Jahr wird es erst mal so sein, dass wir überhaupt mal sehen müssen, wie der Beschleuniger, wie gut der funktioniert. Wir müssen den halt sozusagen in Betrieb nehmen. Es ist ein langwieriger Prozess. Auch die Teilchendetektoren müssen in Betrieb genommen werden. Auch das sind alles Unikate. Praktisch alles ist sozusagen sein eigener Prototyp an Gerätschaften, was wir hier haben. Nichts ist Serie, nichts ist Massenproduktion. Und wir müssen das alles erst mal verstehen. Also dieses Jahr werden wir sicher noch keine Ergebnisse kriegen. Das ist, das ist klar. Ab nächstes Jahr soll dann sozusagen der richtige Produktionsbetrieb losgehen. Aber wir werden sicher ein bis zwei Jahre brauchen, bis wir mit Sicherheit sagen können, da war jetzt zum Beispiel ein Higgs-Teilchen, ja. Denn die Sache ist so, diese Higgsteilchen, die können wir jetzt zwar hier produzieren, aber dummerweise ist es so, dass die nur sehr selten produziert werden und praktisch von vielen, vielen Millionen, Milliarden Kollisionen, die hier entstehen, da passiert meistens nichts, nichts interessantes was uns interessiert. Und nur ein mal entsteht vielleicht ein Higgsteilchen. Das müssen wir irgendwo rausfiltern.

W.R.:    Gibt es denn eine Vorstellung, wie lange ein solches Higgsteilchen, wenn es nun entstanden ist, lebt bis es wieder weg ist?

M.H.:    Ja. Dieses Higgsteilchen ist leider sehr instabil. Das heißt, kaum dass wir es produziert haben, am Kollisionspunkt aus der reinen Energie, verfällt es auch schon wieder. Das heißt, es wird nie der Fall sein, dass dieses Higgsteilchen jetzt durch den Detektor durchrauscht und wir können das Higgsteilchen direkt mit unseren Detektoren messen. Das ist leider nicht der Fall. Schön wär's.

W.B.:    Sie haben ja eine Zahl genannt und zwar 20 Millionen soll der Strom kosten im Jahr.

M.H.:    Ja.

W.B.:    Millionen Euro. Das klingt ja vergleichsweise wenig eigentlich bei diesen Riesendingern da.

M.H.:    Ja, das ist gar nicht mal so viel, vergleichsweise. Und zwar einfach deswegen, weil wir haben ja supraleitende Magnete, und das heißt, die ganzen Stromkosten gehen im wesentlichen drauf für die Kühlung der, der Magnete. Das das das, da brauchen wir Strom natürlich.

W.R.:    Also bei so..

M.H.:    Aber wir brauchen eigentlich relativ wenig Energie um die Magnete wirklich unter Strom zu setzen und zu betreiben. Ja.

W.R.:    Also bei Supraleitern ist das so, dass sie ihren ionischen Widerstand verlieren und keine Verlustleistung haben und deswegen braucht man weniger Strom.

M.H.:    Genau so ist es, ja. Also wenn wir das ganze, den ganzen LHC mit Elektromagneten bauen, gebaut hätten, dann würden wir wahrscheinlich viele Gigawatt an Strom brauchen und die ganzen Gigawatts müssen dann wieder gekühlt, die Wärme muss wieder abgekühlt werden, abgeführt werden und das heißt, das wäre also praktisch gar nicht möglich.

W.R.:    Und hier muss man's nur kühlen, um den supraleitenden Zustand zu erreichen.

W.B.:    Eine ganz kurze Frage. Wenn man solche Versuche macht, kann man da eigentlich noch an die Schöpfung glauben? Ganz kurze Antwort.

M.H.:    Man kann, ja das kommt drauf an. Also sagen wir mal so, was wir versuchen hier als Physiker ist, rauszukriegen, was passiert nach dem Urknall. Wie der Urknall entstand, und warum, das ist eine andere Frage.

W.B.:    Okay.

W.R.:    Dr. Michael Hauschild von CERN, das was Sie uns hier in der letzten halben Stunde erzählt haben, war einfach sagenhaft. Auch wie Sie es gesagt haben.

W.B.:    Endlich mal was vernünftiges.

W.R.:    Klar und verständlich. Ganz herzlichen Dank. Grüssen Sie alle Kollegen. Wir drücken die Daumen. Egal...

W.B.:    Und nach oben.

W.R.:    Und egal was Sie finden und wir verabschieden uns mit unserem Spruch: Immer ebüb.

W.B.:    Ebüb.

M.H.:    Wiedersehen.

W.B.:    Tschüss.

M.H.:    Tschüss.

[Erkennungsmelodie]

Das war Computerclub 2, das Technikmagazin mit Wolfgang Back und Wolfgang Rudolph.
Technik: Manfred Kloiber und Arne Wohlgemut
Produktion: Anja Arp
Eine Internet-Sendung der VoxMundi Medienanstalt Köln 2008